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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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hilfeflehenden Blick auf Herrn von Studmann hatte sich Süskind an das befohlene Einschenken gemacht.
    »Was sollen diese Scherze?« fragte von Studmann unwillig. »Sie sollen trinken!« sagte der gastgebende Gast. »Eins – zwei – drei –! Trinkt!! Wird es wohl?! Ihr sollt trinken!«
    Jetzt schrie er doch wieder.
    Die andern sahen auf Studmann – Studmann zögerte …
    Der Fremde schrie noch einmal: »Trinkt! Austrinken!« Und schoß. Nicht nur die Frauen schrien. Allein hätte von Studmann den Kampf mit dem Manne gewagt, aber die Rücksicht auf die fassungslosen Leute im Zimmer, der Ruf des Hotels befahlen ihm Zurückhaltung.
    Er wandte sich um, sagte ruhig: »Also trinkt!«, lächelte ermutigend in die ängstlichen Gesichter und trank selbst.
    Es waren mehrere sehr große Schlucke Kognak in dem Sektglas, Studmann bezwang sie rasch, aber hinter sich hörte er die andern, wie sie sich verschluckten und prusteten.
    »Es muß ausgetrunken werden«, sagte der Fremde zänkisch. »Wer nicht austrinkt, wird erschossen.«
    Von Studmann durfte sich nicht umdrehen, er mußte den Gast im Auge behalten; immer noch hoffte er, daß der Gast einen Augenblick nicht aufpassen und ihm so das Wegnehmen der Waffe ermöglichen würde.
    »Sie haben in die Decke geschossen«, sagte er höflich. »Ich danke Ihnen für die Rücksichtnahme. Darf ich jetzt erfahren, warum wir uns hier betrinken sollen?«
    »Es liegt mir nichts daran, Sie zu erschießen, wenn es mir auch nicht darauf ankommt. Es liegt mir daran, daß Sie sich betrinken. Keiner verläßt diesen Raum lebend, ehe nicht jeder Tropfen Alkohol ausgetrunken ist. – Kellner, gießen Sie jetzt Sekt ein.«
    »Eben«, sagte von Studmann, dem daran lag, ein Gesprächin Gang zu halten. »Das hatte ich schon verstanden. Es würde mich nun nur interessieren, warum wir uns betrinken sollen.«
    »Weil ich meinen Spaß haben will. – Jetzt trinkt.«
    Eine Hand hatte Studmann von hinten einen Sektkelch in seine Hand geschoben, er trank. Dann sagte er: »Weil es Ihnen Spaß macht also.« Und möglichst gleichgültig: »Ich vermute, Sie wissen, daß Sie geisteskrank sind?«
    »Ich bin«, sagte der andere ebenso gleichmütig, »bereits seit sechs Jahren entmündigt und in einer Klapskiste untergebracht. – Kellner, jetzt wieder, sagen wir, eine halbe Schale Kognak.« Erklärend: »Ich will nicht zu hastig vorgehen, das Vergnügen soll länger dauern.« Und wieder gleichmütig berichtend: »Ich konnte das Schießen im Felde nicht vertragen, alle schossen immer nur auf mich. Seitdem schieße ich allein. – Trinkt!«
    Von Studmann trank. Er fühlte, wie der Alkohol vorerst wie ein feiner Nebel wolkig in seinem Hirn aufstieg. Aus dem Augenwinkel sah er, ohne den Kopf zu drehen, am andern Zimmerende den Kellner Süskind auftauchen und zu der Badezimmertür schleichen. Aber auch der Baron hatte ihn gesehen. »Leider abgeschlossen«, sagte er lächelnd, und Süskind verschwand wieder aus dem Gesichtsfeld des Empfangschefs, mit einer bedauernden Bewegung der Schultern.
    Dann hörte von Studmann eine Frau hinter sich sanft kreischen und Getuschel der Männer. Achtung, Oberleutnant! Achtung! sprach es in ihm, und sein Kopf war wieder ganz klar.
    »Ich verstehe«, sagte er. »Doch wie kommen wir zu der Ehre, in diesem Hotel mit Ihnen zu trinken, da Sie doch in einer Anstalt interniert sind?«
    »Ausgerissen!« lachte der Baron kurz. »Die sind ja so dumm. Der alte Geheimrat wird schön fluchen, wenn er mich wiederholt. Ein paar hübsche Dinger habe ich unterdes angerichtet, ganz abgesehen von dem Wärter, dem ich eins auf die Birne gegeben habe. – Es geht zu langsam«, murmelteer plötzlich mürrisch. »Viel zu langsam. Noch einen Kognak, Kellner. Der ganze Kelch!«
    »Ich würde um Sekt bitten«, versuchte Studmann.
    Doch es war falsch.
    »Kognak!« schrie der Gast um so wilder. »Kognak! – Wer nicht Kognak trinkt, wird erschossen! – Mir ist es egal!« schrie er mit Bedeutung zu Studmann. »Ich habe den Paragraphen 51, mir passiert nichts. Ich bin der Reichsfreiherr Baron von Bergen. Kein Polizist darf mich anfassen. Ich bin geisteskrank. – Trinkt!«
    Dies muß schiefgehen, dachte von Studmann verzweifelt, während das ölige Zeug langsam seine Kehle hinunterrann. Die Weiber hinten lachen und kichern schon. In fünf Minuten hat er auch mich so weit, wie er uns haben will, und sieht die Gesunden wie irre Tiere vor dem Geisteskranken kriechen. Ich muß sehen … Aber es war nichts zu sehen.

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