Wolf unter Wölfen
bezahlen. – Vor ’ner Viertelstunde war ooch eener von de Polente da nach Sie. Ick habe ihm azählt, Se sind abjehauen …«
»Gut, gut«, sagt Pagel. »Ich gehe jetzt hin.«
»Und, Herr Pajel«, eilt sie hinter ihm drein, »nehmen Se’s mir nich für übel, Se hören’s dann ja doch uff de Wache. Ick habe nur een Wort jesacht, daß Se noch een bißken in Rückstand sind, gleich mußt ick wat unterschreiben. Aber ick nehme es zurück, Herr Pajel, ick habe jleich nich jewollt. Ick jeh sofort uff de Wache und nehme es zurück, ick habe det doch nicht jewollt von wejen Strafantrach wejen Betruch, det hat der jesacht von der Polente. Jleich bin ick ooch da, nur erst det Mächen aus de Wohnung. So een fieses Mächen, die bringt doch nie de Miete, und wat det for een Kavalier is, ham Se det jesehen, Herr Pajel, mit det Brettchen vor de Brust an eenem Knopp …«
Pagel steigt schon die Treppe hinunter; den Letzten beißen die Hunde, und so ist es auch ganz richtig, daß Frau Thumann Strafantrag wegen Betruges gestellt hat. Ihn trifft es ja nicht, es ist bloß wegen Petra …
Er dreht wieder um, steigt noch einmal hinauf und sagt zur Pottmadamm, die auf dem Treppenabsatz erst einmal einer Nachbarin von den Ereignissen berichtet: »Wenn Sie nicht in zwanzig Minuten auf der Wache sind, dann donnert’s, Frau Thumann!«
Der gelbliche Sekretär auf dem Polizeibüro hat einen schlechten Tag. Es ist richtig ein Gallenanfall geworden, wie er schon am Morgen beim Aufstehen fürchtete; der dumpfe Druck in der Gallengegend, eine leise Übelkeit hatten ihn gewarnt. Er weiß recht gut, und der Arzt hat es ihm auch oft genug gesagt, er müßte sich krank melden, eine Kur gebrauchen. Aberwelcher Verheiratete kann heute seine Familie den der Entwertung nachhinkenden Krankengeldern ausliefern?
Nun hat ihm die Aufregung über den Fall Gubalke eine richtige Gallenkolik gebracht. Er hat kaum noch die Papiere für den Siebenuhrtransport nach dem Alex fertigmachen können, dann hat er gekrümmt auf der Toilette gesessen, während sie draußen schon wieder nach ihm rufen. Er hätte brüllen können vor Schmerzen. Natürlich kann man nach Haus gehen, wenn man krank ist, kein Reviervorsteher, und dieser zumal nicht, wird etwas dagegen sagen, aber man kann seinen Dienst nicht so plötzlich im Stich lassen, grade jetzt nicht. Nun zur Stunde wirft der Geschäftsschluß die Tausende von Angestellten und Kaufleuten auf die Straße, an tausend Lokalen leuchten die Lichtreklamen auf, der Taumel aus Amüsement, Fieber und Angst reißt die Menschen fort, und die Hauptarbeit der Polizei beginnt. Er wird es schon bis zu seiner Ablösung um zehn aushalten.
Er sitzt nun wieder hinter seinem Tisch. Besorgt merkt er, daß der Gallenanfall mit seinen Schmerzen zwar aufgehört hat, daß aber statt dessen ein Zustand äußerster Gereiztheit in ihm zurückgeblieben ist. Es ärgert ihn alles, und fast mit Haß schaut er in das bleiche, schwammige Gesicht eines Straßenhändlers, der ohne Gewerbeschein aus einem Handkoffer Toilettenseifen dunkler Herkunft verkauft und Krakeel angefangen hat, als der Schutzmann ihm das verwies. Ich muß mich zusammennehmen, denkt der Sekretär. Ich darf mich nicht gehenlassen,
so
darf ich ihn nicht anschauen …
»Es ist verboten, ohne Wandergewerbeschein Waren auf der Straße feilzubieten …«, sagt er zum zehnten Male, möglichst sanft.
»Bei euch ist alles verboten!« schreit der Händler. »Alles macht ihr einem kaputt! Bei euch ist nur erlaubt, vor Hunger zu krepieren!«
»Ich mache ja die Gesetze nicht!« sagt der Sekretär.
»Aber du läßt dich dafür bezahlen, daß du die Scheißgesetze durchführst, Speckjäger, verdammter!« schreit der Mann.
Hinter dem Mann halblinks steht ein junger, gut aussehender Bursche in einer feldgrauen Uniform. Der Bursche hat ein offenes, recht intelligentes Gesicht. Er gibt dem Sekretär die Kraft, ohne Ausbruch solche Beschimpfungen zu ertragen. »Wo haben Sie die Seife her?« fragt der Sekretär.
»Riech deinen eigenen Dreck auf!« schreit der Händler los. »Müßt ihr Brüder euch in alles mischen?! Ihr wollt unsereinen bloß ruinieren, ihr Leichenwürmer! Wenn wir alle krepiert sind, seid ihr fett!«
Er schreit noch weiter Beschimpfungen, während ihn ein Schupo an den Schultern gegen den Zellengang schiebt. Der Sekretär schlägt trostlos den Deckel des Seifenkoffers zu und stellt ihn auf den Tisch. »Bitte!« sagt er zu dem jungen Mann in der feldgrauen Uniform.
Der
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