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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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mußte geschehen sein, das die Leute übel von ihr denken ließ – konnte es mit Wolf zusammenhängen? Diese Unsicherheit machte sie ängstlich und befangen. Ein- oder zweimal berief sie sich auf den freundlichen Wachtmeister, »der in unserm Hause wohnt«, aber das finstere Schweigen, das Reviervorsteher wie Sekretär auf diesen Appell hatten, erschreckte sie noch mehr.
    Solange die Vernehmung nur sie allein betraf, solange sie also bei der Wahrheit bleiben konnte, ging es noch. Aber als die Frage nach den Erwerbsquellen ihres Freundes auftauchte, als das Wort »Spieler« fiel, geriet sie in schlimme Bedrängnis und Verwirrung.
    Sie hatte ohne Zögern zugegeben, daß sie einige Male – »etwa acht- oder zehnmal, so genau weiß ich es nicht mehr« – Herren auf der Straße angesprochen hatte, mit ihnen gegangen war und sich dafür hatte Geld geben lassen. Aber sie wollte nicht zugeben, daß Wolfgang ein Spieler war, um Geld spielte, daß dieses Spiel seit langem ihr Haupterwerb war.
    Sie war sich nicht einmal ganz sicher, ob es verboten war, da Wolfgang doch gar kein Hehl daraus gemacht hatte. Aber lieber war sie vorsichtig und log. Ach, auch in diesem Punkt hatte ihr der Sterbende einen schlechten Dienst erwiesen. Das Wort »Spieler« bedeutet im Osten Berlins etwas ganz anderes als im Westen. Ein zweifelhaftes Mädchen, das auf den Strich ging und einen festen Freund hatte, dazu »mit Spielern zu tun hatte«, das konnte im Osten nur die Freundin eines Falschspielers sein, eines Bauernfängers mit demKümmelblättchen. In den Augen der beiden Polizeibeamten war sie ein Mädchen, das ihrem Freunde als Lockvogel die zu rupfenden Opfer ins Netz holte.
    Auf einer Wache im Westen Berlins hätte dieser Hinweis auf Spieler einen ganz andern Klang gehabt. Im Westen – das wußte dort jeder – wimmelte es nur so von Spielklubs. Fast die halbe Lebewelt und bestimmt die ganze Halbwelt ging in diese Klubs. Das Spielerdezernat der Polizei jagte wohl Nacht für Nacht unermüdlich nach diesen Klubs, aber das war eine Sisyphusarbeit: für zehn geschlossene Klubs sprangen zwanzig neue ein. Man bestrafte auch nicht die betroffenen Spieler – dann hätte man den halben Westen entvölkert –, man setzte nur die Unternehmer und die Croupiers fest und zog alle vorgefundenen Gelder ein.
    Hätte Petra gestanden, ihr Freund ginge in einen Spielklub des Westens, hätte die Sache damit für die Polizei im Osten jedes weitere Interesse verloren. Statt dessen machte sie Ausflüchte, stellte sich unwissend, log, wurde zwei- oder dreimal bei ihren Lügen ertappt und schwieg aus Hilflosigkeit nun ganz.
    Hätte nicht unsichtbar der Sterbende den Fall noch in Händen gehabt, wäre er wohl versandet. Viel konnte nicht dahinterstecken; ein Mädchen, das so ungeschickt log und bei jeder Lüge auch noch rot wurde und sich versprach, konnte kaum die Zutreiberin eines gerissenen Bauernfängers, überhaupt nicht die Helferin eines schweren Jungen sein. So aber blieb doch noch immer die Möglichkeit, daß etwas Unbekanntes, Schweres dahintersteckte. Petra wurde angeschrien, väterlich ermahnt, auf die schlimmen Folgen hingewiesen – und als all das sie nicht zum offenen Sprechen bringen konnte, in ihre Zelle zurückgeführt.
    »Mit dem Transport um sieben zum Alex«, entschied der Reviervorsteher. »Machen Sie im Protokoll auf die Wichtigkeit des Falles aufmerksam.«
    Der Sekretär flüsterte etwas.
    »Gewiß, wir können sehen, daß wir den Kerl noch fassen.Aber er wird sich längst aus dem Staube gemacht haben. Jedenfalls aber schicke ich gleich einen Mann in die Georgenkirchstraße.«
    Als um sieben Uhr der grüne Sammelwagen der Polizei vor der Wache hielt, wurde auch Petra mit eingeladen. Es regnete. Sie kam auf einen Platz neben der Feindin zu sitzen, der Hühnerweihe, aber der Sekretär hatte recht behalten: der Kokainrausch war verflogen und das Mädchen vollkommen zusammengefallen. Petra mußte sie während der Fahrt stützen und halten, damit sie nicht vom Sitz fiel.

10
    Von der Landsberger Straße biegt er in die Gollnowstraße ein. Rechts bleibt die Weinstraße, links die Landwehrstraße. Nun kommt rechts die Fliederstraße, die mit ihren paar Häusern aber nur ein Sträßchen ist, an ihrer Ecke liegt eine »Groß-Destillation«, in der Pagel noch nie war.
    Langsam und bedächtig steigt er die Stufen empor, geht an die Theke und verlangt einen Wermut. Der Wermut kostet siebzigtausend Mark, er schmeckt fuselig. Pagel bezahlt, er geht zur

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