Wolf unter Wölfen
letzten Stellung bin ich einfach fortgeblieben, von heute auf morgen. Da liegen sogar noch alle meine Papiere, ich hab Ihnen doch erzählt, das kam so schnell mit Wolf …«
»Weiß ich, weiß ich«, sagte Frau Krupaß. »Die Papiere holst du dir noch mal, Papiere sind immer gut. Also mit den Schuhen ist es nichts mehr, und wenn es auch was wäre, es reicht ja doch nicht, und dann kommt das andere bloß wieder, und ob du das grade jetzt möchtest –?«
»Nein, nein«, sagte Petra hastig.
»Nein, natürlich nicht, das weiß ich doch. Ich sag ja auch nur so. Und nun kommt da noch eins, Kindchen – weißt du was, Kindchen, ich werd doch lieber zu dir Kindchen sagen und nicht Peter – Peter steht mir nicht im Munde. Also, da ist nun dein Freund, wie ist es denn nun mit dem, Kindchen?«
»Er ist ja weggeblieben.«
»Das ist er, da hast du recht. Und wahrscheinlich kommt er auch nicht wieder. Er wird denken, er kriegt Schwierigkeiten mit seiner Spielerei, wenn er sich zu sehr bei der Polizei nach dir erkundigt, und vielleicht denkt er auch, du hast ihn verpfiffen …«
»Das denkt Wolf nicht!«
»Also, dann denkt er das nicht, auch gut«, sagte die Frau Krupaß fügsam. »Er kann ja genauso ein feiner Kavalier sein, wie du sagst, und ich red kein Wort dagegen, und er bleibt doch weg. Männer sind nun mal nicht anders. Willst du ihn denn nun suchen gehen?«
»Nein«, sagte Petra. »Suchen nicht …«
»Und wenn er nun morgen kommt und besucht dich?«
Die alte Frau schoß einen schnellen, dunklen Blick auf das Mädchen. Sie sah, wie Petra aufstand und hin und her ging, und jetzt blieb sie sogar stehen, und es war, als lauschte sie hinaus in das Gefängnis. Dann schüttelte das Mädchen unmutig den Kopf und ging wieder auf und ab. Blieb an der Wand stehen, lehnte den Kopf gegen die Steine, stand lange so.
»Das ist so«, sagte die Frau Krupaß schließlich berichtend. »Da klopft der Wachtmeister an die Tür und sagt: ›Ledig, mitkommen, Besuch!‹ Und dann gehst du hinterher, so auf Schlurren, wie du jetzt bist, in deiner blauen Kittchenkluft. Und dann kommst du in ein Zimmer, in der Mitte ist ein Holzzaun, und er steht auf der einen Seite, fein in Schale, und du auf der andern, in Kluft, und in der Mitte sitzt ein Wachtmeister und paßt auf dich. Und dann redet ihr miteinander, und wenn der Wachtmeister sagt: ›Die Zeit ist rum‹,dann geht er wieder raus ins Freie, und du gehst wieder auf deine Zelle …«
Petra hat sich längst umgewandt und sieht die alte Frau mit blassem Gesicht gespannt an. Als die nicht weiterspricht, bewegt Petra die Lippen, als wolle sie etwas sagen, fragen, aber sie sagt nichts, sie fragt nichts.
»Ja, Kittchen«, sagt Frau Krupaß plötzlich mit harter, böser Stimme, »nu sage mir bloß, was hast du denn eigentlich ausgefressen, daß du wieder uff de Zelle latschst?! Und wat hat er denn so Rühmenswertes jetan, det er wieda ins Freie darf?!«
Es ist ganz still in der Zelle. Schließlich aber sagt Petra mühsam: »Er kann doch nichts dafür …«
»Nee!« sagt die Olle triumphierend. »Da kann
er
nischt dafür, daß du immer Kohldampf geschoben hast und daß du ewig hast warten müssen und daß er dir deine Kleider verkloppt hat und ohnedem wärst du ja gar nicht hierhergekommen. Da kann er nischt für! Er hat sich ja die Pelle von den Pfoten gearbeitet mit Kartenmischen, ein ruheloser Nachtarbeeter is das jewesen –!«
Petra will etwas sagen.
»Stille biste!« schreit die Olle. »Den Zahn zieh ick dir! Du bist ja doof! Sein Vajniejen hat er bei dir jehabt – und wenn er nich mehr Lust zu ’s Vajniejen gehabt hat, denn is er abjehauen und hat jedacht: nu ’en andern Film, laß den ersten Film man für sich alleene sorgen! So wat lieb ick, sage ick dir, so wat rührt mir die Galle um! Haste denn gar keine Ehre mehr im Leibe, Mächen, daß de da stehen willst im Besuchszimmer wie ein Primelpott mit rosa Serviette und willste ihn anstrahlen – bloß, weil er dir wirklich besuchen kommt! Is denn det Ehe, frage ick dir, is det denn Kameradschaft?! Is det ooch nur Freundschaft?! Bloße Bettlägrigkeit is det, sage ich dir! Schäm dir wat, Mächen!«
Petra steht ganz still und weiß in der Zelle. Sie zittert am ganzen Leibe. So freilich ist ihr noch nie der Star gestochen, der Zahn gezogen worden, in diesem Lichte hat sie noch niedas Verhältnis mit Wolf gesehen – alle Schleier, die Liebe darüberzog, zerrissen. Halte ein! möchte sie rufen. Aber sie ruft es nicht.
»Es mag
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