Wolf unter Wölfen
–?« fragte sie, bekam keine Antwort und lief hinterher.
Über die im Mondlicht liegenden Parkwiesen ging der Lauf; ihr langes, feuchtes Gras näßte die Strümpfe; dann durch Gebüsch, querweg über die Wege, mitten durch Blumenbeete! Der Buchsbaum der Wegekanten läßt sie straucheln. Weio keucht atemlos, möchte rufen und kann nicht, da sie weiterlaufen muß.
Nun hält der Leutnant inne und bedeutet ihr, leise zu sein. Über seine Schulter fort späht sie zwischen Flieder- und Schneeballstrauch durch. Eben sieht sie noch, wie die Geflügelmamsell weinend zum Schloß entschwindet, Inspektor Meier steht bewegungslos vor dem Beamtenhaus.
»Hat sie nicht getroffen, Gott sei Dank!« flüstert der Leutnant.
»Warum heult sie denn?«
»Der Schreck!«
»Der Kerl muß ins Kittchen!« sagt Weio mit Nachdruck.
»Sei bloß nicht dumm, Weio! Was er dann alles ausquatschen würde, he? Das hätte dir wohl gefallen?«
»Na, und jetzt?«
»Jetzt werden wir abwarten, was er tut.«
Die kleine, dunkle Gestalt geht rasch auf das Beamtenhaus zu, bis in die Büsche hören sie das Geräusch der kräftig zugeworfenen Tür. Feldinspektor Meier ist weg.
»Nun ist er weg«, sagt Fräulein von Prackwitz unzufrieden, »und ich darf von jetzt an besonders höflich zu ihm sein, damit er vor Papa den Mund hält.«
»Wart es ab, Violet«, sagt der Leutnant bloß.
Sie brauchen nicht einmal lange zu warten. Kaum drei, vier Minuten. Da öffnet sich die Haustür wieder, und hervor tritt der kleine Meier, in der rechten Hand einen Koffer, in der linken Hand einen Koffer. Er nimmt sich gar nicht erst die Zeit, die Haustür wieder zu schließen, schwarz gähnt ihre Öffnung – Meier aber marschiert, zwar ein wenig behindert, dennoch in forschem Tempo auf den Hof zu, in die Welt hinaus – ab!
»Haut ab!« flüstert der Leutnant.
»Gott sei Dank!« atmet sie auf.
»Den siehst du nicht wieder …«, sagt der Leutnant und schweigt so plötzlich, als ärgere ihn schon das, was er gesagt.
»Wollen wir hoffen«, antwortet sie.
»Violet!« sagt der Leutnant nach einer Weile.
»Ja, Fritz?«
»Bleib hier einen Augenblick stehen, ja? Ich will bloß was auf dem Büro nachsehen.«
»Was willst du denn da nachsehen?«
»Ach, nur so … Wie es da aussieht.«
»Wieso? Das kann uns doch egal sein.«
»Also laß mich schon –! Entschuldige – also, hier wartest du!«
Der Leutnant geht eilig hinüber zum Beamtenhaus. Er tritt ein, tastet sich über den dunklen Vorplatz, schaltet auf dem Büro das Licht ein. Er sieht sich nicht lange um – schnurstracks geht er auf die Schublade mit den Schußwaffen zu. Sie steht halb offen, aber das genügt dem Leutnant nicht. Er zieht sie ganz auf und betrachtet sehr aufmerksam ihren Inhalt.
Nein, der Neunmillimetermauser ist nicht darunter. Er schiebt die Schublade wieder zu. Bedachtsam löscht er das Licht und geht hinaus über den dunklen Vorplatz in den Mondschein, zu ihr.
»Nun, wie sieht es drinnen aus?« fragt Violet ein wenig boshaft. »Er hat wohl noch schnell aufgeräumt?«
»Wie soll es denn aussehen –? Ach so, ja, natürlich. Schweinestall, immer noch Schweinestall, so sieht es aus, mein klein Schafel.«
Der Leutnant ist merkwürdig aufgeräumt.
Sie benutzt dies gleich: »Du, Fritz …«
»Na, Violet –?«
»Weißt du auch noch, was du heute wolltest –?«
»Nun, was wollte ich denn? Dir einen Kuß geben? – Na, denn komm!«
Er kriegt sie beim Kopf, und eine Weile sind sie beide beschäftigt, bis sie völlig atemlos an seiner Brust liegt.
»So«, sagt der Leutnant, »und nun muß ich eiligst nach Ostade!«
»Nach Ostade –?! Och, Fritz – du wolltest doch bei mir nachsehen, ob ich nicht ein Tagebuch führe –!«
»Aber, Schafel, doch nicht heute –! Ich muß wirklich Volldampf machen – um sechs muß ich schon in Ostade sein!«
»Fritz –!«
»Was denn?«
»Geht es denn gar nicht –?«
»Nein – heute ganz ausgeschlossen! Aber ich komme, ganz bestimmt. Übermorgen, vielleicht morgen schon!«
»Ach, das sagst du immer! Heute abend hast du auch nichts davon gesagt, daß du gleich wieder nach Ostade mußt –!«
»Ich muß, ich muß aber wirklich … Komm, Violet, bring mich noch bis zu meinem Rad. Bitte, bitte, mach jetzt keine Geschichten, Schafel …«
»Ach, Fritz, du … was machst du bloß aus mir …«
5
Lange, lange Zeit hatte Petra wie erstarrt gesessen.
Erschöpft lag auch die kranke Feindin lange still, bis von neuem Rastlosigkeit sie überkam. Alle
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