Wolf unter Wölfen
ja sein«, fährt Frau Krupaß friedfertiger fort, »daß er ein ganz guter Mann ist, wie du sagst. Er tut was für deine Bildung, sagst du – na schön, soll er das tun, wenn es ihm Spaß macht. Besser wär es, er tät was für dein Herze und was für deinen Magen, aber da kommt er sich natürlich nicht so klug vor wie bei den Büchern. Ein guter Mann, sagst du. Aber Kindchen, das ist doch kein Mann, das soll vielleicht mal einer werden! Was im Bett ein Mann is, das is noch lange kein Mann, das glaub ’ner alten Frau. Das bildet ihr jungen Mädchen euch bloß ein! Und wenn du das so weiter machst mit ihm, mit Verwöhnen und Immerparatsein, und Muttern is auch noch im Hintergrunde mit ’nem hübschen, dicken Geldsack – dann wird ooch nie ein Mann daraus, aber aus dir wird ein Misthaufen, Gott verzeih mir meine Worte!«
Sie schnauft richtig vor Anstrengung und Erbitterung, immer wieder schießt sie scharfe Blicke auf Petra, die blaß und stille an ihrer Wand steht.
Jetzt sagt Frau Krupaß ruhiger: »Ich verlang ja gar nicht, daß du ihn überhaupt nicht mehr wiedersiehst. Nur jetzt laß ihn mal eine Weile allein zurechtekommen. Du kannst ja abwarten, ein Jahr oder meinethalben auch nur ein halbes Jahr (ich bin gar nicht so!), was er macht. Ob er mit der Spielerei fortmacht – faul! Oder ob er bei Muttern unterkriecht – oberfaul! Oder ob er sich ’ne andere beibiegt – dann hat er mit dir auch nie was Richtiges im Sinne gehabt. Oder ob er was Vernünftiges zu arbeiten anfängt …«
»Ich muß ihm aber doch wenigstens Bescheid sagen, was mit mir geworden ist, oder ihm schreiben«, bittet Petra.
»Zu was denn? Was hilft denn sagen oder schreiben? Er hat dich doch ein Jahr gesehen, alle Tage, wenn er dich da noch nicht kennt, dann nützt auch alles Schreiben nichts. Und er kann ja auf der Wache fragen – die werden ihm schon erzählen, daß du hier bist, da machen die doch kein Geheimnisdraus. Wenn er dann hier angesockt kommt – meinethalben, dann gehst du eben mal runter und sagst ihm: so und so, mein lieber Spitz, ich will mich erst mal bewähren, und du sollst dich auch erst mal bewähren … Und außerdem krieg ich ein Kind, sagst du, nicht etwa: kriegen wir ein Kind … Denn du kriegst es und sollst es auch behalten, und ich möcht, daß das Kind ’nen richtigen Mann zum Vater hat, der auch mal für ein bißchen Happenpappen sorgen kann, weißte, mal was zu essen, was gegen den Kohldampf, daß man nicht grade auf der Straße umfällt, im Umgang mit dir, verstehst du …«
»Mutter Krupaß!« bittet Petra, denn die alte Frau gerät schon wieder in Zorn.
»Na ja, Kindchen«, grollt sie, »das darfst du ihm ruhig sagen, davon geht ihm die Vergoldung nicht ab, so was muß ein Mann mal hören, das ist ihm nur gut …«
»Ja«, sagt Petra, »und was mache ich das halbe Jahr –?«
»Siehste, Kindchen«, sagte die Krupaß erfreut, »das war das erste verständige Wort, was du heute abend gesagt hast. Und nun setzt du dich hier gemütlich neben mich aufs Bette – die olle Zicke da schläft wohl –, und jetzt reden wir mal richtig miteinander. Von den Männern sprechen wir überhaupt nicht mehr, eine richtige Frau sollte überhaupt nicht so viel von den Männern reden, die bilden sich da bloß was ein, und so wichtig sind sie gar nicht … Was du in dem
einen
Jahr machen sollst? Das will ich dir sagen –: mich vertreten sollst du!«
»Ach!« sagte Petra, ein wenig enttäuscht.
6
»Ja, du sagst ach!« sagte die alte Frau Krupaß ganz freundlich und schlug ächzend ein Bein über das andere, wobei ersichtlich wurde, daß sie nicht nur ganz unmodern lange, faltenreiche Röcke trug (und es gab sogar noch einen Unterrock unterdem Rock), sondern auch völlig unmögliche, dicke, selbstgestrickte Wollstrümpfe, jetzt mitten im Sommer.
»Du sagst ach!, Kindchen, und recht hast du! Denn wie soll so ein hübsches, junges Ding solchen alten Kehrbesen wie mich vertreten können – und wie ’ne olle Puffmutter und Schlafbosten seh ich auch noch aus, was –?!«
Petra schüttelt verlegen, aber doch lächelnd den Kopf.
»Aber recht hast du doch nicht, Kindchen. Und warum hast du nicht recht? Darum, weil du auf den Kassenblock geschrieben hast bei den Schuhen und rechnen kannst, und Augen hast du auch im Kopf, die sehen, was sie ansehen. Das habe ich mir doch gleich gesagt, wie du hier reinkamst in die Zelle; kieke, habe ich gesagt, endlich mal wieder eine, die Anseh-Augen hat, nicht solche Plieraugen wie bei
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