Wolf unter Wölfen
und was schafft, Kindchen, das ist nichts, da verfault man bei lebendigem Leibe. Und so wie du das gemacht hast, immer hocken in der möblierten Stube, und vielleicht mal, wenn’s viel ist, ein bißchen Aufwasch für die möblierte Schlummermutter, das ist kein Leben, Mädchen, davon muß jede doof und trübsinnig werden …«
Und wieder nickt Petra mit dem Kopf, und wieder findet sie, daß Frau Krupaß völlig recht hat und daß es ganz unmöglich ist, zu dem alten Leben bei der Pottmadamm zurückzukehren. Und jetzt hätte sie bloß gerne gewußt, was für eine Arbeit denn Frau Krupaß so frisch und lebendig erhalten hat, und sie wünscht aus ganzem Herzen, daß es irgendeine Arbeit ist, die anständig und zu verantworten ist.
Und da sagt Frau Krupaß auch schon: »Und nun will ich dir auch sagen, Kindchen, was ich für ein Geschäft habe. Und wenn die Leute die Nase darüber rümpfen und sagen: es stinkt! – es ist doch ein gutes Geschäft! Und mit Kittchen hat es gar nichts zu tun, denn es ist ein anständiges Geschäft – mit Kittchen hat bloß meine Dummheit zu tun, weil ich nämlich ein gieriger Mensch bin, ein geldgieriger Mensch. Ich kann es nicht lassen, und hundertmal sag ich mir: laß es, Auguste (ich heiß nämlich Auguste, aber ich mach keinen Gebrauch davon), laß es, du verdienst auch so genug Geld, liefere es ab – ich kann es nicht lassen! Und dann fall ich rein – nun schon das drittemal! Und Killich sagt ja, es wird ein halbes Jahr kosten.«
Jetzt sitzt sie sehr zusammengefallen da, die geldgierige Frau Krupaß, und Petra sieht ihr wohl an, daß das vorhin mit den sechs Ruhemonaten nur ein Schwindel war, daß Frau Krupaß gar nicht abgebrüht ist, sondern eine höllische Angst vor diesen sechs Monaten Kittchen hat. Und sie möchte der alten Frau gerne etwas Tröstliches sagen, aber sie weiß ja noch immer nicht, um was es eigentlich geht. Sie kann sich auch nicht die geringste Vorstellung von dem gutgehenden, aber übelriechenden Geschäft der Frau Krupaß machen, das doch wieder anständig sein soll.
So schweigt Petra Ledig lieber und wartet. Und nach einer Weile nimmt sich Frau Krupaß wieder zusammen und sagt mit einem fast entschuldigenden Lächeln: »Gott, nun sitze ich auch noch da und blase Trübsal. Aber das kommt davon, wenn man sich rühmt mit Lustigsein und so. Aber nun sollst du hören, Kindchen! Weißt du, was ein Produktengeschäft ist?«
Petra nickt ein wenig und hat eine Vorstellung von einem muffigen, stinkenden Keller.
»Siehst du, Kindchen, das habe ich, und da brauchst du die Nase nicht zu ziehen, es ist ein gutes Geschäft und nährt einen, und Frechheiten von alten Lustgreisen braucht man sich dabei nicht gefallen zu lassen. Altpapier und altes Eisenund Knochen und Lumpen, und Felle habe ich auch … Aber nicht so mit kleinem Handwagen auf die Müllplätze, nee, einen großen Hof habe ich, mit Lastauto, und sechs Mann arbeiten bei mir. Und dann is noch der Randolf da, was mein Aufseher über den Lagerplatz ist, ein bißchen düsig, aber reell, wie ich dir schon erzählt habe. Und dann kommen sie zu mir, fünfzig, sechzig Handwagen jeden Tag. Ich bezahle, was richtig ist, und das wissen sie auch, daß Mutter Krupaß die richtigen Preise bezahlt. Und jetzt wird es überhaupt alle Tage mehr, wo jeder mit ’nem Handwagen geht, weil die Arbeit immer weniger wird …«
»Aber Mutter Krupaß, davon versteh ich doch gar nichts!« sagt Petra schüchtern.
»Das brauchst du ja auch gar nicht, mein Mädchen. Der Randolf weiß alles und kennt alles, bloß, daß er nicht rechnen kann und düsig ist. Rechnen sollst du und anschreiben sollst du und Geld auszahlen sollst du, und da hab ich ein großes Vertrauen zu dir, Kindchen, aber es wird schon stimmen. Und abends rufst du die Spinnereien und Fabriken an, was sie zahlen für alles, jede ihren Kram, ich sag dir noch die Nummern und Namen von den Leuten, und danach zahlst du, ganz reell. Und dann geht es mit dem Lastauto in die Fabrik, liefern, und dann kriegst du Geld, und das Papier verladen wir, wenn wir genug für einen Waggon haben. Das sagt dir Randolf alles. Das gibt dann auch wieder Geld. Das macht Laune, Kind, wenn du das Geld einnimmst, und heutzutage kann überhaupt jedes Kind handeln, wo der Dollar immerzu steigt …«
Petra sieht die alte Frau an, plötzlich, da sie deren Eifer, die leuchtenden Augen sieht, scheint ihr das alles gar nicht mehr ganz unmöglich. Es ist doch Arbeit – was heißt das: stinkige
Weitere Kostenlose Bücher