Wolf unter Wölfen
Lumpen?! Es ist doch geradezu etwas wie eine Zukunft.
Aber dann fällt ihr wieder ein, daß die Frau Krupaß ja im Gefängnis sitzt und daß die Sache also irgendeinen Haken haben muß, und ihre Freude vergeht sachte wieder.
Aber die alte Frau redet weiter, und was sie redet, facht die Freude von frischem wieder an. »Und denk dir nicht«, sagt sie, »daß es sonst Bruch ist bei mir. Alles reell und solide. Ordentliche Geschäftsbücher und mit dem Finanzamt nicht mehr Krach als jeder. Und ein Häuschen auf dem Platz, tipptopp, fein mit Ei, mit Blumen und Laube, ganz, wie es richtig ist. Unten wohnt Randolf, und oben wohne ich, drei Zimmer mit Bad und Küche – prima! Und die Randolfen kocht mir ’s Essen, und so soll sie’s dir auch kochen. Ich esse gerne was – die kocht nicht schlecht! – Und ich habe mir gedacht, du wohnst in meiner Wohnung und schläfst in meinem Bett, und im Badezimmer wäschst du dich … Aber in der Wanne badest du nicht, da geht die Emaille von kaputt oder wird streifig, mit der Emaille weiß ich allein Bescheid. Das mußt du mir in die Hand versprechen, daß du mir die Wanne nicht anrührst! – So schmutzig wirst du ja auch gar nicht, daß du dich baden mußt – die Dreckarbeit machen der Randolf und die Männer …«
Wieder nickt Petra, und jetzt möchte sie schon sehr gerne, daß es etwas würde – aber da ist ja noch das eine, der eine Punkt.
»Und morgen früh kommt Killich hierher in die Sprechstunde, was mein Rechtsbeistand ist, und das ist ein gerissener Hund, sage ich dir, Kindchen! Dem werde ich sagen: Killich, Herr Killich, Herr Rechtsanwalt Killich – morgen oder übermorgen oder heute noch kommt eine zu Ihnen in die Sprechstunde, Petra Ledig heißt sie, das ist meine Stellvertreterin. Sehen Sie nicht, was sie auf dem Leibe trägt, das ist Wohlfahrt oder Fürsorge, sehen Sie ihr ins Gesicht, und wenn die mich anscheißt, Killich, dann glaub ich keinem Menschen mehr auf der Welt, mir nicht und Ihnen schon gar nicht, Herr Killich …«
»Mutter Krupaß!« sagt Petra, legt ihre Hand auf die Hand der andern und ist fest überzeugt, daß es wirklich nicht so schlimm sein kann mit den Verbrechen der Alten.
»Na, wat denn, mein Mächen?! Wat denn, wat denn?! Esist doch so! Und dann fährt Killich mit dir zu Randolfen und sagt ihm, daß du bist wie ich, mit Geld und Verfügung und Wohnung und Essen und Befehl ganz wie ich, und was du an Kleidern und Wäsche und Sachen brauchst, das kaufst du dir. Und auf der Stadtbank, wo ich mein Konto habe, da kannst du auch unterschreiben wie ich, das macht Killich alles fertig für dich …«
»Aber, Mutter Krupaß …«
»Na, wat denn aber –? Essen kriegst du und Kleider kriegst du und Wohnung kriegst du, und dein Kind kannst du auch kriegen bei mir (aber dann bin ich hoffentlich schon wieder draußen), nur das eine kriegst du nicht: Gehalt kriegst du nicht, Geld kriegst du nicht. Und warum nicht? Weil du es ihm nur gibst! So dußlig bist du, das weiß ich doch, dafür bin ich selbst Frau. Wenn er kommt und macht ’nen treuen Hundeblick, dann gibst du ihm, was du hast. Aber was du nicht hast, nämlich mein Geld, das gibst du ihm nicht – dafür kenne ich dich nun auch schon! Darum kriegst du kein Gehalt – nicht aus Knietschigkeit nicht! Und nun sag, Kindchen, bist du einverstanden oder bist du nicht einverstanden –?«
»Ja, Mutter Krupaß, natürlich bin ich einverstanden. Aber da ist noch die eine Sache, die Sache …«
»Was für ’ne Sache?! Mach mir keine Geschichten, Mächen! Mit dem Kerl? Von dem Kerl reden wir nicht mehr, der soll erst mal ein Kerl werden!«
»Nein, Ihre Sache, Mutter Krupaß,
Ihre
–!«
»Was, meine Sache?! Ich hab dir doch alles erzählt, Kindchen, und wenn dir das nicht genug ist …«
»Nein,
Ihre
Sache, die Sache, weswegen Sie sitzen!« rief Petra. »Die Sache, weswegen Sie ein halbes Jahr kriegen wollen, Mutter Krupaß!«
»Ich und wollen, Kind! Du bist ja gut, Mächen!! Du hast ja einen Begriff von meinem Wollen, das muß ich wirklich sagen –! Also: die Sache geht dich gar nichts an, damit hast du nischt zu tun, und damit hat auch das Geschäft nischt zutun, damit hat nur meine Happigkeit zu tun. Also: wenn wir Lumpen sortieren, da steh ich meistens dabei, daß zwischen die Leinenlumpen nichts aus Baumwolle fliegt, denn Leinen ist teuer, und Baumwolle ist billig, das verstehst du doch?«
»Ja«, sagte Petra.
»Na also!« meinte die Alte befriedigt. »Köpfchen bleibt Köpfchen. Und
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