Wolf unter Wölfen
wieder bequem in die gepolsterte Wagenecke setzen kann. Er ist wirklich unendlich müde. Es wäre schön, wenn er jetzt ein Nickerchen machen könnte. Nirgend schläft es sich so gut wie in einem sacht rüttelnden Auto. Aber er fürchtet, dieStrecke bis zum Alexanderplatz lohnt das Einschlafen nicht, nachher ist man dann um so müder. So brennt er sich lieber eine Zigarette an.
»Sie dürfen einer Dame ruhig eine Zigarette anbieten!« sagt das Mädchen böse.
»Bitte sehr!« sagt von Studmann und hält ihr sein Etui hin.
»Danke!« sagt sie scharf. »Denken Sie, ich brauch Ihre popligen Zigaretten?! Ich hab selbst welche. Höflich sollen Sie sein zu einer Dame –!«
Sie kramt aus ihrer Tasche ein Etui, kommandiert »Feuer!«, raucht und sagt etwas sprunghaft: »Was glauben Sie, wie ich es Ihrem Freund besorgen werde!«
»Er ist nicht mein Freund!« sagt von Studmann mechanisch.
»Der soll noch an mich denken, der Junge! Kiebig wird das Aas, haut ’ner Dame in die Fresse!« Und wieder ganz unvermittelt: »Wieso hat er denn heute abend soviel Geld? Sonst hat er doch nie was gehabt, der kleine Schisser?!«
»Ich weiß es wirklich nicht«, sagt von Studmann müde.
»Na!« sagt sie mit freudigem Nachdruck. »Wenn die im Klub ihm sein Geld nicht abnehmen, ich sorge dafür, daß er’s los wird. Darauf können Sie sich verlassen, von mir aus behält er keinen Pfennig!«
»Liebes Fräulein!« bittet von Studmann ziemlich verzweifelt. »Würden Sie mich nicht in Ruhe meine Zigarette rauchen lassen? Ich habe Ihnen doch schon gesagt, der Herr ist nicht mein Freund.«
»Jawohl, Sie und Ihre Freunde –!« sagt sie zornig. »’ne Dame schlagen! Aber ich laß ihn hochgehen – Ihren Freund!«
Von Studmann schweigt.
Noch zorniger: »Hören Sie nicht –? Ich laß Ihren Freund hochgehen!«
Stillschweigen.
Verächtlich: »Wissen Sie denn überhaupt, was das heißt: hochgehen lassen?! Verpfeifen tu ich Ihren Freund!«
Durch die offene Glasscheibe klingt die Stimme des Chauffeurs: »Hauen Se der doch eine in die Fresse, Herr! Immer in die Fresse – was anderes gehört so einer nicht. Ihr Freund hat ganz recht gehabt, Herr, der ist richtig, der weiß Bescheid! Immer druff, bis die olle Schandschnauze mal stehenbleibt. Wo Sie sich all die Spesen machen mit das Auto, und dann noch unjebildete Redensarten von wejen Verpfeifen …«
Wieder erhebt sich der Kampf zwischen den beiden, abwechselnd wird die Glasscheibe zum Führersitz aufgerissen und wieder zugestoßen, die enge Taxe hallt von dem Gekreisch und Geschrei wider.
Er sollte man lieber ein bißchen auf die Steuerung aufpassen, denkt Studmann. Na, es ist auch egal, wenn wir irgendwo anfahren, dann ist wenigstens dieser Lärm vorbei.
Aber sie fahren gegen nichts, sie halten ganz normal auf dem Alexanderplatz. Das Mädchen klettert, immer weiter schimpfend, an seine Beine stoßend, aus dem Auto. Dann schreit sie noch einmal zurück in den Wagen: »Und so was will nun Kavalier sein!« Und rennt quer über den Platz auf ein großes, nur in wenigen Fenstern erleuchtetes Gebäude zu.
»Da geht se hin!« sagt der Chauffeur, der ihr nachgeschaut hat. »Aber die piept noch ’ne ganze Weile, wenn der Posten se rinläßt. Die macht det wahr, wat se jesacht hat, und hat selber Dreck am Stecken, noch und noch. Wenn die se nu fragen, ob se kokst, gleich is se drin! Vielleicht behalten se se gleich da, na, mich soll’s freuen!«
»Was ist denn das?« fragt von Studmann nachdenklich und sieht das große, fast dunkle Gebäude an, unter dessen Torweg das Mädchen eben verschwunden ist.
»Na, Herr«, wundert sich der Chauffeur. »Sie sind wohl ooch nich von hier, det is doch das Präsidium! Das Polizeipräsidium, wo die Ihren Freund verpfeifen will!«
»Was will sie da?« fragt von Studmann und wird plötzlich wacher.
»Na ja doch – Ihren Freund verpfeifen!«
»Aber warum denn –?«
»Ick jloobe, Sie haben jeschlafen, Herr, bei dem Krach! Weil der ihr eine geklebt hat, das habe doch sogar ich kapiert!«
»Nein«, sagt Studmann, plötzlich sehr erregt. »Wegen was denn? Wegen einer Ohrfeige läuft man doch nicht auf das Polizeipräsidium!«
»Weiß ich das?« fragt der Chauffeur vorwurfsvoll. »Was Ihr Freund ausgefressen hat?! Aber Sie haben ja auch so komisch gefragt, wegen Spielklub und so – da wird sie wohl Lampen machen wollen bei der Krimschen!«
»Halt!« ruft von Studmann hellwach und springt aus dem Wagen und will ihr nach. Denn ebenso entschlossen, wie er
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