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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Munde, weiß er, daß er diesmal dem Spiel ganz anders entgegengeht als je zuvor. Immer, immer hat er falsch gespielt, idiotische Systeme sich ausgeklügelt, die versagen mußten. So wie heute muß er es machen, eine Eingebung abwarten und dann setzen. Warten, bis wieder eine Eingebung kommt, vielleicht endlos warten, aber die Geduld haben zu warten, und dann sofort wieder setzen.
    »Jawohl, sehr schön! Sehr!« sagt er, antwortet er dem Rittmeister, der irgend etwas gefragt hat, und er lächelt bei dieser Antwort freundlich. Der Rittmeister sieht ihn erstaunt an, wahrscheinlich hat er irgendeinen Quatsch geantwortet,aber das ist egal, er ist dem Spieltisch nun schon ganz nahe.
    Um diese Zeit ist der Tisch dichter denn je belagert. Es geht auf die letzte Stunde, um drei, spätestens halb vier Uhr morgens machen die hier Schluß. Alles, was von Spielern erschöpft, übermüdet an den Wänden stand und rauchte, was unentschlossen auf Sesseln und Sofas saß – das drängt sich jetzt um den Tisch. Die entfliehende Zeit bietet noch einmal die Aussicht auf großen Gewinn – nütze sie! Wenn in wenigen Stunden die Stadt erwacht, wirst du reich oder arm sein – möchtest du denn nicht lieber reich sein –?!
    Der Zwischenfall von vorhin ist längst vergessen, niemand beachtet Pagel.
    Er sieht keine Möglichkeit, nahe an den Tisch heranzukommen, so geht er ganz um ihn herum, bis an sein Kopfende. Mit einer Schulterbewegung zwängt er sich zwischen Croupier und Gehilfen. Der Gehilfe, Lockenwilli, der untersetzte Schläger aus dem Wedding, will wütend gegen diese Ungehörigkeit protestieren – ein leises Wort des Croupiers verweist ihm das.
    Wolfgang Pagel rüttelt leise seine siebzehn Marken in der Hand, er will sie setzen – ein dünnes, spöttisches Lächeln unter dem Bart, belehrt der Croupier den alten Spieler, daß bei rollender Kugel nicht gesetzt werden darf.
    Zeit – lange, stillstehende Zeit muß Wolfgang warten. Dann endlich kommt die Kugel zur Ruhe, eine Zahl wird ausgerufen. Gewinne, lächerliche, belanglose, unwichtige Gewinne werden ausgeteilt und eingestrichen – und nun senkt sich Wolfgangs Hand auf das grüne Tuch:
    Siebzehn Spielmarken liegen auf der Zahl siebzehn.
    Der Croupier sieht ihn kurz von der Seite an und lächelt schwach. Mit seinem Anruf treibt er ein letztes Mal die Spieler zum Einsatz, er faßt das Kreuz, die Scheibe beginnt, sich schnurrend zu drehen, die Kugel läuft …
    Sein Spiel beginnt – es beginnt das Spiel von Wolfgang Pagel, Fahnenjunker a. D., Exliebhaber eines Mädchens namensPetra Ledig, zur Zeit beschäftigungslos – es beginnt jenes Spiel, auf das er seit einem Jahr, nein, ein Leben lang gewartet hat, für das er eigentlich geworden ist, was er wurde; um dessentwillen er sich mit der Mutter verstritten hat; um dessentwillen er ein Mädchen zu sich nahm, das ihm die Wartezeit verkürzte, das nun aber auch ging, als es soweit war. Wir haben Siebzehn gesetzt, siebzehn Spielmarken auf die Nummer Siebzehn …!
    Achtung, wir spielen! Siebzehn bringt sechsunddreißigfachen Gewinn – endlos läuft die Kugel, scheppert, scheppert … Wir hätten noch Zeit, uns in Millionen und Milliarden auszurechnen, was wir gewinnen werden, wenn die Siebzehn gekommen ist … die Kugel scheppert so – wenn sie aus Bein wäre, könnten wir sagen, so scheppern die Knochen der Toten in ihren Grüften, wir aber leben, wir spielen und spielen …!
    »Siebzehn!« ruft der Croupier.
    Ja, schreit er es denn nicht? Es ist die Stunde des Gerichtes – die Böcke werden geschoren, aber die Gerechten – sie werden gekrönt! Es prasselt nieder von Marken, ein Regen, eine Flut, eine Sintflut! In die Taschen damit –!
    Warten Sie! Ich will auch setzen – ist für einen Spieler wie mich kein Stuhl frei?!
    Was setze ich –? Ich muß ruhig sein, nachdenken … Ich setze Rot. Rot ist richtig, ich habe das einmal ausgerechnet, lang, lang ist’s her! Siehst du, da ist schon ein Stuhl –!
    Hier, mein Sohn, dies sind zehn Dollar, gute, amerikanische Dollar – weißt du noch, wie du mich vorhin in die Fresse schlagen wolltest? Hä – hä – hä!
    Ich soll nicht so laut sein, ich störe die andern? Die andern sollen verrecken! Was gehen mich die andern an mit ihren lumpigen Einsätzen. Sie spielen, um zu gewinnen, um dreckiges Papiergeld zu hamstern, ich spiele um des Spieles willen, um des Lebens willen … Ich bin der König!
    Rot!
    Er sitzt da und starrt, plötzlich finster geworden, argwöhnisch. Sind das

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