Wolf unter Wölfen
einmal täuschte sie die Sanftheit dieses Herrn, zum andern war sie böse auf ihn, weil der kleine Meier fort war. Hatte sie sich auch feierlich aller Rechte auf den ehemaligen Feldinspektor von Neulohe begeben: daß er nun fort war, verzieh sie dem Herrn dort nicht – mochte er auch wirklich sein, was die Leute erzählten, nämlich ein Detektiv!
Der vermeintliche Detektiv antwortete erst einmal gar nichts, sondern roch unbegreiflicherweise in das Wasser, mit dem sie die Scheiben wusch. Dann nahm er das Fensterleder in die Hand, was freilich kein Leder war, sondern ein bloßer Lappen, denn das gute Fensterleder rückte die Armgard von der Villa nicht für das schlechte Büro heraus. Nun bewegte er den geputzten Fensterflügel im Sonnenschein hin und her – die Hartig flog am ganzen Leibe vor Grimm über solch einen Spion, der jetzt sogar ihrer Arbeit nachschnüffelte!
Herr von Studmann war mit seiner Prüfung fertig, er hob den Blick zu der Frau, er schien gar nicht zu sehen, daß sie zornig war. Er fragte: »Sie heißen –?«
»Ich bin die Kutscherfrau«, rief die Hartig zornig und putzte an ihrer Scheibe, daß sie knackte.
»Also die Kutscherfrau«, sagte Studmann friedfertig. »Und wie heißt der Kutscher –?«
Nun sagte die Hartig sehr aufgeregt sehr rasch sehr vieles hintereinander, unter anderem, daß sie ihre Arbeit verstehe, daß keiner aus Berlin zu kommen brauche, um ihr arbeiten zu »lernen«, daß sie vier Jahre im »Schloß« gearbeitet habe, bei der »alten Gnädigen«, ehe sie den Hartig geheiratet habe, und daß die »alte Gnädige« immer mit ihr zufrieden gewesen sei, und der mache es doch wirklich keine recht …
»Also Frau Hartig heißen Sie«, sagte Herr von Studmann geduldig, denn er war ja lange genug im Hotelbetrieb tätig gewesen. »Hören Sie, Frau Hartig, dies Fensterputzen hat keinen Zweck. Man putzt keine Fenster bei Sonnenschein – sehen Sie, die Scheiben sind ja ganz streifig …«
Er bewegte den Fensterflügel hin und her, aber Frau Hartig sah gar nicht hin. Das ekelte sie, sie wußte auch so, daßdie Fenster streifig waren, bisher war allen ihre Arbeit gut genug gewesen, und das sagte sie ihm auch!
Ungerührt antwortete Studmann: »Und in das Spülwasser nimmt man besser einen Schuß Spiritus, das macht die Scheiben hell. Aber auch dann nützt all Ihre Arbeit nichts, wenn Sie kein ordentliches Fensterleder haben, sehen Sie, dies Tuch fusselt ja, lauter Fusseln kleben an den Scheiben!«
Zuerst war die Hartig sprachlos vor Entrüstung gewesen, dann aber fragte sie Herrn von Studmann recht höhnisch, wo sie wohl Spiritus hernehmen solle, he? Sie könne keinen durch die Rippen schwitzen, und das Fensterleder gebe ihr die Armgard nicht heraus …
»Sie werden Spiritus bekommen und auch ein Fensterleder«, sagte Studmann. »Und solange man kein Leder hat, nimmt man eine alte Zeitung – sehen Sie, so …« Er griff eine alte Zeitung von einem Stoß und putzte. »Sehen Sie, so, ist sie jetzt blank –?«
»Das war das Kreisblatt!« rief die Hartig höhnisch. »Das wird gesammelt und gebunden! Da darf keine Nummer von fehlen!«
»Ach so!« sagte Studmann betroffen – in dieser ersten Zeit unterliefen ihm wie Pagel aus purer Unkenntnis häufig solche Fehler. Er entfaltete den schwärzlich-feuchten Papierkloß: »Die Nummer ist noch lesbar – ich bestelle Ersatz.« Er notierte die Nummer.
Aber dieser kleine Mißgriff hatte seine Langmut doch erschöpft, er sagte kürzer: »Und jetzt gehen Sie nach Haus. Diese halbe Reinmacherei hat keinen Sinn. Kommen Sie heute abend um sechs – da werde ich Ihnen zeigen, wie ich Büro und Zimmer gesäubert wünsche.«
Damit war er mit seinem Schlüssel in der Hand abgegangen. Der Hartig aber war das Gerede von diesem Berliner Affen, der ja doch in den nächsten Tagen wieder abhauen würde, ganz egal gewesen. Sie hatte auf ihre Art weiter saubergemacht, und es war ihr nicht im Traum eingefallen, zu dem befohlenen Reinmachen um sechs zu erscheinen.
Als sie dann aber doch von ihrer Neugier gegen sieben in das Beamtenhaus getrieben wurde, hatte sie zu ihrer Empörung gesehen, daß dort die schwarze Minna, dieses scheinheilige Mistvieh, herumfuhrwerkte, und als sie sachte hineingegangen war und wie nichts einen Eimer und ein Scheuertuch ergriffen hatte, hatte der Detektiv sich nur umgedreht und auf seine elende, sachte Art gesagt. »Sie sind abgelöst, Frau Hartig. Sie machen hier nicht mehr sauber.«
Und ehe sie noch etwas antworten
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