Wolf unter Wölfen
Schwiegervater rede. Aber der ist mein rotes Tuch. Ich kann ihn nicht ausstehen, und er kann mich nicht ausstehen.) Der alte Herr kann mich nicht wirtschaften sehen. Und wenn ich nun zumersten Oktober die Pacht nicht zusammenkriege, dann muß ich raus – und was mache ich dann?«
Er sieht von Studmann wütend an. Dann: »Aber sie steht draußen, Studmann, und wir kriegen sie rein, und überhaupt, wo ich dich jetzt habe, machen wir aus Neulohe ein Mustergut. Ach, Studmann, es ist ja doch ein Glück, daß ich dich getroffen habe! Erst, muß ich dir ja gestehen, habe ich wirklich einen Schreck gekriegt, als ich dich da im schwarzen Rock Dienerchen vor jeder aufgedonnerten Schickse machen sah … Was bist du gesunken, Studmann, dachte ich …«
»Da kommt Pagel!« rief Studmann, dem bei diesen Geständnissen des sonst so zurückhaltenden Prackwitz heiß und kalt wurde.
Denn das wird der Gute eines Tages bitter bereuen, denkt Studmann. Und dann nimmt er es mir übel, daß er heute so zu mir geredet hat!
Aber von Prackwitz ist wie betrunken, es muß wirklich hier die Luft am Schlesischen Bahnhof machen.
»Gepäck haben Sie ja genug, Pagel«, sagt er sehr wohlwollend. »Hoffentlich halten Sie so lange bei mir aus, daß Sie alles, was Sie da drin haben, einmal bei mir anziehen. Auf dem Lande wird nämlich gearbeitet, nicht gespielt! – Na ja, schon gut, ich habe es gar nicht
so
gemeint! Übrigens habe ich ja selber gespielt! Und nun seien Sie so gut und besorgen am Schalter drei Karten Zweiter, erst mal bis Frankfurt – und dann werden wir uns in der letzten Minute im Sturmlauf durchschlagen …«
»Aber willst du nicht erst mal mit dem Vermittler reden? Die Leute sind doch schließlich hierherbestellt …«
»Also holen Sie die Karten und kommen Sie dann gleich wieder hierher, Pagel. – Was soll ich denn mit dem Manne reden? Er hat mich reinlegen wollen, nun lege ich ihn rein!«
»Aber so macht man doch so was nicht, Prackwitz! Du brauchst doch die Auseinandersetzung nicht zu scheuen. Du kannst doch mit vollem Recht die Leute zurückweisen – es sind keine Landarbeiter. Man rennt doch nicht heimlich die Treppen rauf – wie ein Schuljunge …«
»Studmann! Ich bin kein Schuljunge!! Ich muß dich bitten …«
»
Wie
ein Schuljunge, habe ich gesagt, Prackwitz.«
»Also kurz und gut, Studmann, ich möchte es machen, wie ich es für richtig halte.«
»Aber ich denke, Prackwitz, du wolltest grade meinen Rat haben …«
»Natürlich, Studmann, natürlich! Zieh doch bloß kein Gesicht. Immer höre ich deinen Rat gerne, nur diesmal, siehst du … Die Wahrheit ist nämlich, daß ich dem Manne gesagt habe, die Leute können aussehen, wie sie wollen, wenn sie nur Hände zum Arbeiten haben …«
»Ach so!«
»Aber daß er da eine solche Bande schickt –! Dafür kann ich doch keine paar hundert Goldmark Provision zahlen! – Also bitte, geh mit Pagel voran, ich komme dann schon nach. Laß mich dieses eine Mal so handeln, wie ich möchte …«
»Gut, gut, Prackwitz«, sagt von Studmann nach kurzem Nachdenken. »Also dieses eine Mal noch. Richtig ist es zwar nicht, und es ist auch kein guter Anfang unserer Zusammenarbeit, aber …«
»Weg mit euch!« ruft der Rittmeister. »Raucher, Zweiter! Noch acht Minuten. Und dann Schluß mit Berlin – Gott sei Dank!«
Sehr nachdenklich steigt von Studmann neben dem jungen Pagel die Treppe zum Bahnsteig hoch.
Nehmen wir es also nicht als den Anfang der Zusammenarbeit, nehmen wir es als das Ende von Berlin!
Er ist froh, daß er nicht zu sehen braucht, wie der Rittmeister von Prackwitz sich durch einen Sturmlauf um das Zahlen einer Vermittlungsprovision drückt. Der Anblick des Rittmeisters bei andern Sturmläufen war ihm immer wohltuend gewesen. Verdammte Zeiten, die einen Mann so ändern konnten –!
»Also haben Sie sich doch entschlossen«, sagt er zum jungen Pagel. »Das ist schön von Ihnen.«
8
Allein geblieben, steht der Rittmeister unentschlossen, er nagt an seiner Lippe, er sieht die Fahrkarte in der Hand an. Im Nu ist mit dem Fortgang der beiden seine begeisterte Stimmung, die ihm jedes Geständnis leicht machte, verflogen, jetzt beherrscht ihn ganz die augenblickliche Situation, die einfach ekelhaft ist.
Mit ärgerlich gefalteter Stirn und eingekniffenen, bösen Augen späht er in die Halle. Die Leute dort sind mit dem Naherücken der Abfahrtszeit auch unruhig geworden; wer auf den Treppenstufen saß, ist aufgestanden; es haben sich Gruppen gebildet, die
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