Wolf unter Wölfen
hängt.
Studmann folgt mit den Augen dem weisenden Finger, er sieht einen Augenblick nachdenklich dem freudigen Sommertanz dieser Plagegeister zu und sagt dann: »Sie haben recht, die Biester würden uns nicht einen Augenblick schlafen lassen. Aber was dann?«
»Ich bin noch gar nicht richtig im Walde gewesen«, sagt Pagel. »Wenn wir uns den einmal ansähen? Es sollen da auch Teiche sein, Krebsteiche, eiskalt. Wir könnten unsere Badeanzüge mitnehmen.«
»Großartig!« stimmt Herr von Studmann zu, und fünf Minuten später treten die beiden mit ihren Badepäckchen aus dem Beamtenhaus.
Der erste, den sie treffen, ist der alte Herr, der Geheimrat Horst-Heinz von Teschow. Er stapft einher in grünem Loden, den Eichenstock in der Hand, der listige Greis, und als sie, die ihm nur kurz vorgestellt sind, mit flüchtigem Gruß vorüber wollen, ruft er sie an: »Aber das ist ja großartig,meine Herren, daß ich Sie mal treffe! Ich überlege, ich denk nach, ich grübele: Sind die Herren schon wieder abgefahren? Haben sie genug vom Lande und der Landwirtschaft? Ich sehe sie doch seit Tagen nicht mehr –!«
Wie es sich gehört, lächeln die beiden zu diesen geheimrätlichen Scherzen, Herr von Studmann recht kühl, aber Pagel ehrlich vergnügt über diesen ländlichen Rauschebart, rot wie ein neu angemalter Nußknacker.
»Und nun wollen die Herren also einen kleinen Sonntagnachmittagsbummel machen, zur Erfrischung? Die Dorfschönheiten gehen dort lang, junger Mann – Herrn von Tutmann wage ich nicht darauf aufmerksam zu machen …«
»Studmann«, verbesserte der ehemalige Oberleutnant.
»Ja, natürlich, entschuldigen Sie bloß, Verehrtester, ich weiß natürlich. Ist mir nur so rausgerutscht, weil die Leute hier alle so von Ihnen sagen. ›Tut du man‹, sagte gestern noch einer von den Kutschern, den Sie wohl wegen seiner Fahrerei angehaucht hatten. ›Hier haben schon viele getutet.‹«
»Gestern«, sagte Herr von Studmann.
»Wieso gestern? Oder war es nicht gestern? Natürlich war es gestern – mein Köpfchen ist noch in Ordnung, Herr von Studmann.«
»Weil Herr Geheimrat doch schon seit Tagen grübeln, ob wir nicht schon wieder weg sind«, sagt Studmann und nimmt mit einem Lächeln seiner Bemerkung etwas von ihrer Schärfe.
Pagel platzt raus.
Der alte Herr steht einen Augenblick verblüfft, dann lacht auch er. Lachend haut er Pagel auf die Schulter, und da er kräftig hauen kann, tut er es auch. Pagel ist in der Versuchung, zurückzuhauen, aber er kennt den fröhlichen Alten noch nicht so gut und läßt es lieber.
»Großartig!« schreit der Geheimrat, »da hat er mich drangekriegt! Schlau, der Herr von Studmann, kein Nachtwächter mit ’ner Tute!« Unvermittelt wird er ernst, und dies plötzliche Ernstwerden überzeugt Studmann, daß dies alles nur ein Theater ist, ihnen beiden aus irgendwelchen vorläufignoch unerklärlichen Gründen vorgespielt. Ich fange dich noch öfter, denkt Studmann kampflustig.
»Hätten die Herren wohl einen Augenblick Zeit?« fragt der alte Herr. »Ich hab da einen Brief für meinen Schwiegersohn liegen, schon seit ein paar Tagen; bin nicht dazu gekommen, ihn rüberzuschicken; war immer so viel los die letzten Tage … Wenn Sie ihn im Vorbeigehen in der Villa abgeben wollten –?«
»Ich kann ja …«, fängt Pagel, den Herr von Teschow hauptsächlich angesehen hat, an.
Aber Studmann unterbricht ihn: »Gewiß, Herr Geheimrat. Wir werden dem Diener in der Villa Bescheid sagen, daß er ihn abholt.«
»Ausgezeichnet! Prächtig!« ruft der Neuloher Herr, aber sein Ton hat jetzt nichts mehr von Bonhomie. »Übrigens fällt mir ein, mein alter Elias kann sich ruhig einmal die Beine vertreten. Ich schicke ihn …«
Er nickt den beiden Herren zu und stampft weiter, durch die Büsche dem Schloß zu.
»Donnerwetter, Studmann«, sagt Pagel, ein wenig atemlos. »Mit dem haben Sie es aber verschüttet! Warum so kiebig zu dem fröhlichen Greis –?«
»Ich gebe Ihnen einmal den Pachtvertrag zu lesen«, sagt Herr von Studmann und fährt mit der Hand über die schwitzende Stirn, »den dieser fröhliche Greis seinen Schwiegersohn hat unterschreiben lassen. Nur ein geschäftlich völlig ahnungsloses Kind wie der Rittmeister hat unter so was seinen Namen setzen können. Das grenzt an den Schandvertrag von Versailles! Auf Leben und Sterben ausgeliefert!«
»Aber er macht doch einen ganz biederen Eindruck, der fröhliche Alte!«
»Trauen Sie ihm nicht! Erzählen Sie ihm nie etwas! Tun Sie
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