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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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konnte, hatte er sich umgedreht, der Stellmacher und sein Lehrjunge hatten ihre Hobel angesetzt, und schrapp, schrapp, schnurr! hatten die Hobel losgearbeitet – wie Hagar verstoßen in der Wüste stand die Hartig. Keine Tränen bei der alten Gnädigen, kein Schluchzen bei der jungen Gnädigen, kein Bitten beim Herrn Rittmeister hatten verfangen, es war alles plötzlich anders geworden, eine neue Luft wehte … »Ja, wenn Herr von Studmann dich nicht haben will, so wirst du deine Arbeit schon nicht ordentlich gemacht haben, Frieda … Da reden wir nicht rein, und da können wir dir nicht helfen …« Und nicht einmal die Nachricht von dem verdorbenen Kreisblatt, nicht einmal die Botschaft, daß Herr von Studmann nach Mitternacht die Amanda über eine Stunde auf dem Büro gehabt habe – nichts, was sonst so gerne gehört wurde, verfing. »Nein, nun geh nach Haus, Frieda! Du mußt nicht so klatschen – Klatschen ist eine sehr häßliche Eigenschaft. Gewöhne dir das ab, Hartig.«
    So hatte sie gehen müssen, zu ihrem brummelnden, mit ihr sehr unzufriedenen Manne, und sie hatte nicht einmal mit ihrer Voraussage recht behalten, daß am Sonnabend, nach der Löhnung all der vielen Leute, das Büro wieder wie ein Schweinestall aussehen würde. Das Büro sah auch nach der Löhnung makellos aus, denn dieser Berliner Affe hatte einen Tisch und zwei Stühle vor die Tür ins Grüne gesetzt – und da löhnte er, und die Leute, die ja immer auf alles Neue reinfielen, hatten das sogar großartig gefunden.
    »Wie macht er’s denn aber, wenn’s regnet?! Und wenn’s Winter ist?!« hatte die Hartig geschrien.
    »Sei man still, Frieda«, hatten die Leute gesagt. »Du bist bloß neidisch, der ist zehnmal schlauer als du. Den Negermeier hat er schon ausgetrieben, und wenn du zuviel schreist, wird er dich auch noch austreiben!«
    »Die Hühnermamsell hat er um Mitternacht aufs Büro geholt!« rief sie zornig.
    »Du möchtest sie wohl wieder ausstechen wie beim kleinen Meier?« hatten die Leute gelacht. »Ach, Hartig, bist du dumm – das ist doch ein wirklich feiner Herr, genau wie der Rittmeister, und der denkt nicht an dich und nicht an die Amanda. Sei du bloß stille!«

2
    Und nun war es Sonntag geworden, nach einer ersten arbeitsreichen Woche Sonntagnachmittag, und auf dem so frisch gereinigten, spiegelnden Büro saßen Herr von Studmann und der junge Pagel und rauchten. Herr von Studmann rauchte eine schöne, sanfte Havanna mit Sumatradeckblatt aus der Fest- und Feiertagskiste des Rittmeisters, denn sie waren beide »drüben« zum Essen geladen gewesen; der junge Pagel aber rauchte schon wieder von seinen eigenen Zigaretten.
    Ja, die beiden Herren waren, vielbeachtet von den Neuloher Gutsleuten, in der Villa zum Mittagessen gewesen, nachdem sie vorher schon zweimal dort zu Abend gegessen hatten. Dies war noch nie bei Beamten vorgekommen und gab den Gerüchten über die ungewöhnliche Sendung der beiden Berliner neue Nahrung. Und der ältere von den beiden Herren, der mit dem etwas eiförmigen Kopf und den braunen Augen, hatte ja sogar bis zu dem nächtlichen Verschwinden des kleinen Meier in der Villa gewohnt! Dann freilich war er sofort ins Beamtenhaus gezogen – allerdings gegen den Willen des Rittmeisters, der ihn, wie man von der Köchin Armgard erfuhr, förmlich gebeten hatte, drüben zu bleiben. Aber nein, der Herr hatte gesagt: »Verzeih, Prackwitz, wo meine Arbeitist, da will ich auch wohnen. Du siehst mich ja, sooft du nur willst!« (Sie nannten sich du!) Und nun wohnte der junge Herr, der Herr Pagel, im Inspektorenzimmer, der ältere Herr aber in dem Giebelzimmer – und was sie hier für eine Arbeit hatten, das würde man auch noch herausbekommen – von der Landwirtschaft verstanden sie nichts, soviel war sicher!
    Von Studmann sitzt also rauchend am Schreibtisch und blättert in den Deputatlisten. Er tut es aber nur oberflächlich, denn einmal ist es warm, und dann war das Mittagessen ausgezeichnet. Man ißt hier, wo man so ausgiebig an die frische Luft geht, viel zuviel. Studmann klappt also seine Kornabrechnungen energisch zu und sagt zu Pagel, der am Fenster sitzt und mit halbgeschlossenen Augen in den sonnenflimmernden geheimrätlichen Park blinzelt: »Nun, was machen wir also? Hauen wir uns ein bißchen auf unsere Falle? Gott, bin ich müde!«
    Pagel muß ebenso müde sein, denn er macht nicht einmal den Mund auf. Aber er deutet gegen die Decke, von der, umsummt und umsurrt von Fliegen, ein Fliegenfänger

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