Wolf unter Wölfen
Und überhaupt, in den Briefen haben wir doch gelesen, der Enkel schickt ihr alle Monat zehn Dollar, und zu Geburtstag und zu Weihnachten zwanzig Dollar extra – da kommt doch immer wieder was rein. Da hat die alte Leegen mehr, als sie ihr ganzes Leben gehabt hat! –«
»Man müßte nur sicher sein, daß keiner was redet«, sagte der Schulze. »Sonst gibt’s Stunk.«
»Wer soll denn reden; Haase? Der Pastor Lehnich hält’s Maul, der hat sich blamiert. Und wir beide reden auch nicht. Und die alte Leegen, die hat nichts kapiert, die denkt, im Himmel ist Jahrmarkt, und wenn sie redet, versteht’s keiner. Und wenn’s einer versteht, der soll erst mal kommen und sagen, der Geheime Ökonomierat Horst-Heinz von Teschow macht faule Sachen. Wir wollen ja die Dollars abliefern – das ist ausgemacht, Haase, was?«
»Sobald ich nach Frankfurt komme, bestimmt, Herr Geheimrat«, erklärte der Schulze.
Und so trennten sich die beiden, der Schulze nicht ganzzufrieden, denn er hätte das Dollargeschäft lieber allein gemacht, aber er wußte ja auch, daß die schwersten Schweine am lautesten nach Futter schreien.
Der Geheimrat aber war völlig zufrieden, denn er hatte nicht nur erfahren, was er wissen wollte, sondern auch ein kleines Geschäft gemacht. Ein Mann kann noch so reich sein, reich genug kommt er sich nie vor. Der Förster Kniebusch aber war sehr erstaunt, wie gleichgültig sein knurriger Herr den Bericht von der erfolglosen Suche an den Krebsteichen aufnahm. Aber noch erstaunter war er, daß Herr von Teschow nun schon wieder über die Neuregelung der Hypothekensache Bescheid wußte und gar als Fürbitter für den Schulzen Haase auftrat, vierzehn Tage später zahlen zu dürfen. Da sagte er leicht ja; um so hartnäckiger aber schwieg er, als der Geheimrat durchaus erfahren wollte,
wie
denn Kniebusch den Haase zu solch unerhörtem Zugeständnis bewegt habe.
Der Förster blieb dabei und schwor Stein und Bein, und seine blaßblauen Augen wurden immer blauer und ehrlicher bei der Versicherung, daß der Schulze Haase ein grundanständiger Mann sei und aus lauter Anstand und Ehrlichkeit getan habe, was recht war –: »Und eigentlich hätten es ja sechzig Zentner Roggen sein müssen, Herr Geheimrat, aber ich bin auch nicht so, genau wie der Schulze …«
»Kniebusch!« rief der alte Herr empört, »Sie können doch keinen buckligen Mann durch einen Lattenzaun ziehen! Wo ’s Geld anfängt, hört der Anstand auf – und nun wollt ihr beiden alten Schweinehunde …«
Aber nein, der Förster blieb dabei! Seine Stirn war schweißnaß, und sein Ton wurde so treuherzig und bieder, daß er zehn Meilen gegen den Wind nach Lüge und Betrug stank, aber er blieb dabei. Und es muß gesagt werden, daß der Förster Kniebusch, der seinem Herrn immer untertänig gewesen war und stets nach seinen Wünschen gehandelt hatte, dem Herrn von Teschow nie so imponiert hatte wie der Kniebusch, der ihm sichtlich die Hucke voll log.
»Kieke da!« sagte der alte Herr, als er wieder allein war. »Mein Kniebusch macht sich. Aber warte nur, was der eine nicht erzählt, quatscht der andere aus – und ich will einen Besen fressen, wenn ich heute abend nicht alles vom Schulzen rauskriege.«
Aber darin täuschte sich der Geheimrat: der Schulze hielt genauso dicht wie der Förster, und das erstaunte den alten Herrn sehr und machte ihn recht nachdenklich. Denn so was war eigentlich noch nie dagewesen.
Einen Besen fraß er allerdings deswegen doch noch nicht – er gab die Hoffnung so leicht nicht auf.
8
Vor der Tür des kleinen Vogthauses, in dessen Giebelstube Fräulein Sophie Kowalewski wohnte, hatten sich die Herren Studmann und Pagel von ihrer Begleiterin verabschiedet – und die Dorfleute hatten mit Staunen gesehen, daß diese verdächtigen Berliner Herren nicht einfach weitergegangen waren, nach einem bloßen Zuruf, wie man es mit einem Hofgängermädchen machte. Sondern die Herren hatten ihr richtig die Hand gegeben, wie man es bei einer wirklichen Dame tut, und der ältere, der mit dem Eierkopf, der Tutmann, hatte die Mütze gezogen. Der jüngere aber hatte das nicht getan, weil er nämlich keine Mütze aufhatte, sondern nur die bloßen Haare auf dem Kopf.
Die Bewunderung für den so schillernd und bunt aus seiner unscheinbaren Puppe gekrochenen Schmetterling Sophie war ins ungemessene gestiegen. Was Koffer und Kleider angefangen hatten (und die Heimfahrt gemeinsam mit dem Herrn Rittmeister), das vollendete dieser formvolle Abschied.
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