Wolf unter Wölfen
ein wahres Hexenhaus aus dem Märchen unter den Schindertannen lag. Der Geheimrat nahm das altersschwache, zerfetzte, bemooste Strohdach von vorn und von hinten und von der Giebelseite in Augenschein, immer geleitet von dem klagenden Geheul der Alten. Aber der Geheimrat war plötzlich ein gründlicher Mann geworden und hatte es nicht mehr so eilig, von der Leegen fortzukommen. Denn was ein richtiger Fuchs ist, der riechteine Gans in einem Fuder Stroh. So stieß er denn die Tür auf und ging hinein in die alte Kabache, weil er was in der Nase hatte. Das Haus unter den Schindertannen sah von innen genau so aus, wie man von außen erwarten durfte, nämlich, wie ein Saustall nicht aussehen darf, wenn die Säue gedeihen sollen, sondern völlig ländlich-schändlich.
Aber den Geheimrat störten jetzt weder Dreck noch Gestank, noch die Fetzen und das Gerümpel äußersten Elends – mit seinen alten listigen Augen sah er sich scharf um, und da erblickte er schon, was er wollte, nämlich ein altes Foto an der Wand, und hinter das Foto hatte die Leegen was gesteckt.
»Ja, das ist der Ernstel«, heulte die Alte los. »Das ist der letzte, der rüberging, gerade Anfang 13, gerade ehe der große Krieg losging …«
»Und das ist eins von den Bilderchen, die dir der Ernst schickt, Leegen, was? Hast du mehr davon?«
Ja, sie hatte mehr davon, in den Briefen steckten noch welche, und in den Küchenschrank hatte sie sich auch eine Borte von den Bilderchen gesteckt.
»Hör zu, Leegen«, sagte der Geheimrat. »Ein neues Dach kriegst du, das verspreche ich dir. Und wenn du eine Ziege haben willst, sollst du sie auch kriegen. Und satt zu essen auch. Und eine Brille auch. Und Feuerung auch …«
Die alte Frau hob ihre Hände gegen den Geheimrat, als wolle sie die Fülle all dieser Gaben von ihrer Brust wegschieben, und sie setzte an, zu lobpreisen ihren guten alten Herrn …
Aber der Geheimrat hatte es eilig. »Hier bleibst du sitzen, Leegen, und in spätestens einer halben Stunde bin ich mit dem Schulzen hier, vielleicht bringe ich auch den Pastor mit, und du rührst dich nicht von der Stelle, und von den Bilderchen gibst du auch keins weg …«
Die alte Leegen versprach es hoch und heilig.
Und es geschah alles richtig und ordnungsgemäß; mit dem Geheimrat kamen der Pastor und der Schulze, und es wurde Nachsuche gehalten, und die alte Leegen konntenicht genug wunderwerken über die drei Herren, die nicht abließen, ihre Sachen umzudrehen und auszuschütteln. Sogar ihre paar Winterstrümpfe krempelten sie auf und um, das Bettstroh zog der Schulze aus der Lade – alles auf der Suche nach diesen regenbogenfarbenen Bilderchen!
Was die alte Leegen war, so verstand sie gar nichts von dieser Sache, und wenn sie ihr auch zehnmal in die Ohren tuteten, daß dies »richtiges« Geld sei, Goldgeld, Devisen, während das andere Dreckgeld sei, Schwundgeld, Mist – ihr kam es doch vor, als seien die würdigen drei: Nährstand, Geistlichkeit und Behörde, zu kleinen Kindern geworden, die in ihrer Kate Ostereier suchten.
Der Geheimrat von Teschow aber saß wieder einmal so richtig in seinem Fett, und ab und zu ließ er es brutzeln und machte eine Bemerkung dahin, daß natürlich erst ein Greis wie er kommen und sich um seine alte Arbeiterin kümmern müsse, die ihn von Rechts wegen gar nichts anginge, während der Herr Schulze, der von Amts wegen nach den Ortsarmen, und der Herr Pastor, der von Gottes wegen nach seinen Pfarrkindern zu sehen habe, wieder einmal nichts von Tuten und Blasen wüßten und die Alte in all ihrem Reichtum vor Regen ersaufen und vor Hunger hätten umkommen lassen.
Schulze wie Pfarrer sagten das Allerbeste zu diesen immer wiederholten spitzigen Bemerkungen – nämlich gar nichts, und kaum war das Vermögen der Alten mit zweihundertfünfundachtzig Dollar festgestellt und protokollarisch niedergelegt, so drückte sich der Pfarrer eilig, da ja die Angelegenheit in den besten Händen sei. Der Schulze hatte die Scheine an sich genommen und für die Bilderchen der Alten auf den andern Tag den Dachdecker versprochen. »Auch einen Korb mit Lebensmitteln. Auch ’ne Zicke, jawohl, Leegen. Auch ’ne neue Brille, ist ja gut, Leegen …«
Und die beiden Herren gingen nun langsam wieder aus den Schindertannen am Friedhof vorbei auf das Dorf zu, während hinter ihnen das Dankgeheul der Leegen langsam verscholl.
»Und was machen Sie nun mit dem Geld, Haase?« fragte der Geheimrat.
»Tja, Herr Geheimrat, das ist so eine Sache«,
Weitere Kostenlose Bücher