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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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falsch ein. Leise stänkern, das tat er gerne, das laute Stunkmachen übertrug er lieber seinen Leuten. Zu den Krebsteichen, an denen diesen Nachmittag Krach zu erwarten war, hätten ihn keine zehn Pferde gebracht. Dafür wanderte er geruhig und leutselig durch das Dorf Neulohe, blieb stehen, wo jemand stand, wechselte Rede und Gegenrede und war überhaupt ganz wie ein Fürst, der sich zwischen seine Untertanen mischt. Sein alter Elias hatte es drei Stunden früher auf dem Gutshof nicht besser gemacht.
    Während sich der Geheimrat so recht sonntäglich vergnügt durch das Dorf schwatzte, dachte er immer daran, was er sich wohl für ein Gewerbe beim Schulzen Haase machen könnte, denn er liebte es gar nicht, mit der Tür ins Haus zu fallen. Und rausbekommen mußte er, was der Schulze gegen den Förster Kniebusch hatte, warum er einen so ungünstigen Bericht über ihn erstattet hatte. Wenn man nicht alles weiß, dann weiß man nichts, hatte er sein Lebtage gesagt,und von der Kuckhoff hatte er oft gehört, daß kein Dreck so dreckig ist, daß nicht einer herkommt und zieht die schönsten Gurken darauf.
    Es wollte sich aber nicht der geringste Vorwand finden lassen, und der Geheimrat wurde schon ganz mißmutig, als er kurz vor dem Dorfplatz, grade dort, wo der Weg zum Friedhof abgeht, die alte Leege sah. Die alte Leege war ein uraltes Weib; früher, als sie noch arbeiten konnte, hatte sie auf dem Hof gearbeitet, während ihr jetzt schon lange toter Mann mal in der Gemeinde als Totengräber, mal in dem Forst als Holzarbeiter sich sein Brot verdient hatte. Das war nun alles schon lange her, und die alte Leege hauste bereits an die zehn Jahre, seit ihr letzter Enkel nach Amerika gegangen war, in einem alten Katen unter der Friedhofsmauer. Ein bißchen wunderlich war sie, aber von allen gefürchtet, denn sie stand in dem Ruf, das Vieh verhexen zu können. Soviel war sicher, Warzen und Rose gingen von ihrem Besprechen weg.
    Der alte Geheimrat hatte mit alten Weibern nicht viel im Sinn. Das war schon ein Jägeraberglaube; und so machte er, daß er weiterkam, als er die alte Leege sah. Aber die hatte ihn schon mit ihren mäuseschwarzen und mäuseflinken Augen erspäht, sie schoß über den Dorfplatz auf ihn zu, daß sie ihm den Weg verstellte, und fing an, gaumig heulend, was von ihrem Hüttendach zu klagen, durch das der ganze letzte Regen hindurchgegangen sei wie durch ein Sieb.
    »Das geht mich nichts an, Leegen«, schrie der Geheimrat in ihre tauben Ohren. »Da mußt du zum Schulzen gehen. Das ist Gemeindesache, keine Gutssache.«
    Aber die alte Leege ließ sich so leicht nicht abspeisen, denn sie war fest davon überzeugt, daß der Herr von Teschow ihr Herr und für ihr Wohlergehen verantwortlich sei, genau wie vor dreißig, vierzig Jahren – und aus dem Wege drängeln ließ sie sich auch nicht. Sie erfüllte den ganzen Dorfplatz aber so mit ihrem gaumigen, heulenden Geschrei, daß dem Geheimrat die Sache recht leid ward. Und da er bedachte,daß ein schlechter Vorwand immer noch besser ist als gar keiner – und warum sollte man nicht schließlich mit dem Schulzen Haase von dem durchlässigen Dach einer armen ehemaligen Gutsarbeiterin sprechen? –, so ließ er sich erweichen und ging mit ihr in die Schindertannen, denn so heißt es, wo die Leege wohnt.
    »Na, schreibt denn gar keiner von den Enkeln mal?« fragte er, um von dem Dach loszukommen, von dem er alles schon wußte: vorne, hinten und auf dem Giebel. Die alte Leege heulte freundlich, die Enkel schrieben, und Bilderchen schickten sie ihr auch mal.
    Na, was sie denn so schrieben, und wie es denn so ginge drüben?
    Ja, was sie schrieben, das könne sie so genau nicht sagen, denn der alte Kater habe ihre Brille zerbrochen, jetzt das andere Jahr; aber wenn in diesem Jahr die Beerenlese gut werde, so werde es vielleicht reichen zu neuen Gläsern!
    Warum sie sich denn die Briefe nicht vorlesen lasse?
    Nein, das tue sie nicht, denn wenn einmal drin stünde, es ginge den Enkeln schlecht, so würde es gleich durch das ganze Dorf getragen, und sie wolle nicht, daß man über ihre Enkel rede. Sie könne es abwarten mit dem Lesen, bis sie neue Brillengläser habe.
    Ob sie denn nicht einmal etwas schickten für ihre alte Großmutter, ein bißchen Geld oder ein kleines Freßpaket?
    O doch, schöne bunte Bilderchen schickten sie; mit dem Essen sei es wohl nicht so weit her in dem Indianerlande –!
    Damit waren sie bei dem alten Katen angelangt, der wirklich recht unheimlich wie

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