Wolf unter Wölfen
…«
Elias’ Gesicht zeigte, daß er alles gut verstanden hatte, daß alles bestens erledigt werden würde. Er fragte, ob noch weitere Wünsche da seien. Aber weitere Wünsche waren nicht da.
Elias ging, würdig, ruhevoll, stets der Besitzer eines enormen Vermögens.
»Wenn Violet heute nicht kommt, gehe ich in die Villa!« Die gnädige Frau setzte sich energisch auf. »Wenn auch Horst-Heinz schilt! Ich lasse mir meine Enkelin nicht verschimpfieren!«
»Darf ich mit, Belinde?« fragte Fräulein von Kuckhoff gespannt.
»Ich will mal sehen. Jedenfalls müssen wir es so abpassen, daß mein Schwiegersohn nicht im Haus ist. Und sieh du gleich einmal, ob du die Minna nicht findest. Vielleicht weiß sie was.«
Der junge Pagel hatte einen Einfall gehabt. Fünfzig Mann in der Schnitterkaserne lachten, fünf Beamte lachten, die Maurer lachten – bald würde das ganze Dorf lachen!
Zuerst war die Stimmung recht gereizt gewesen. Dieses befohlene Zumauern einer Tür, gewiß eine gute Lösung des Herrn von Studmann, war keine gute Begrüßung des Kommandos.
»Wenn sie uns nicht sehen mögen, brauchen sie uns auch nicht für ihre Arbeit zu holen«, maulten die Zuchthäusler. »Wenn wir nicht zu schlecht sind, ihnen ihre Eßkartoffeln auszubuddeln, muß ihnen auch von unserm Anblick nicht schlecht werden!« schimpften sie. »Wer weiß, wie der sein Geld verdient hat; zusammengebetet wird er sich seinen Steinbaukasten auch nicht haben!« meinten sie.
Und auch die Beamten hatten den Kopf geschüttelt und die Münder verzogen. Sie fanden, sie hatten – mit zwei oder drei Ausnahmen – ein sehr ordentliches Kommando. Es gingen oft ganz andere Arbeitsabteilungen aus Meienburg fort. Wenn die Leute sich anständig benahmen und gut arbeiteten, mußte man sie nicht immerzu daran erinnern, daß sie bloß Zuchthäusler waren. Das machte sie nur unruhig und erschwerte den Beamten ihre Pflicht.
Aber nun hatte der junge Pagel seinen Einfall gehabt. Nun lachten sie alle, nun grinsten sie alle. »Da können sie beten für uns, das erinnert sie alle Tage!« sagten sie. »Der junge Mann ist in Ordnung – so muß man es mit denen machen. Immer so ’ne Raffkes durch den Kakao ziehen – das ist das beste!«
Vor Vergnügen hätten sie am liebsten wieder losgesungen, irgendwas geschmettert: »Wacht auf, Verdammte dieser Erde!« oder so was, was denen in den Ohren gellte. Aber sie wollten dem jungen Mann keine Ungelegenheiten machen! Mit vergnügten Gesichtern sägten sie an ihren Brettern, nagelten die Regale, die Gerätestände zusammen, packten und zählten die Wäsche. Heute war nur halber Arbeitstag, heute schafften sie erst einmal die Ordnung, die Herr OberwachtmeisterMarofke für unerläßlich hielt, alles in Reih und Glied, alles in Falten und geputzt – genau wie daheim im Zuchthaus Meienburg. Nummern an jedem Eßnapf und Nummern an jeder Waschschüssel, Nummern an den Betten, Nummern an jedem Schemel, jeder Platz am Eßtisch numeriert.
Schwierige, flüsternde, sich erhitzende Beratungen unter den Beamten, wer am besten neben wem am Tisch saß, wer zusammen auf eine Stube gelegt werden konnte – eine falsche Zuteilung, und die Keimzelle zu einem Ausbruchsversuch oder zu einer Meuterei war geschaffen –!
Aber während alldem schlich immer wieder einer an das langsam zuwachsende Türloch, sah, erkundigte sich. Und die Gefährten drinnen fragten grinsend: »Wie weit sind sie denn nun schon? Sieht man’s schon? Erkennt man’s schon?«
»Sie sind erst bei der sechsten Schichte. Nee, richtig zu erkennen ist es erst, wenn der Querbalken kommt.«
Von Studmann erkannte es auch nicht. Er kam aus dem Dorf, schließlich hatte er die Sophie gefunden, aber die Sophie hatte ihm diesmal gar nicht gefallen. Verstockt, hinterhältig, verlogen.
Was nur in das Mädchen gefahren sein mag? Sie ist ganz verändert! Ob der Geheimrat dahintersteckt? Sicher, der hat sie irgendwie aufgehetzt. Das kann er! Den ganzen Tag denkt er nur darüber nach, wie er uns Schwierigkeiten macht. Na ja, die Ernte … Es wird Zeit für ihn, jedes bißchen, das wir dreschen und verkaufen, tut ihm weh! Ich muß gleich zu Prackwitz, daß er nicht wieder Dummheiten macht. Ach Gott, und die Amanda muß ich auch fragen, was hinter dem Gerede der Kowalewski steckt. Zu irgendwelcher vernünftigen Arbeit kommt man heute wieder einmal überhaupt nicht. Ewig rennt man hinter irgendwelchem Gewäsch her und rückt die Töpfe vom Feuer, daß sie bloß nicht überkochen! Ich
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