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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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hätte es nie geglaubt – aber es ist wirklich fast noch schlimmer als im Hotel!
    »Was stellt das nun wieder vor, Pagel?!« sagte er etwas ärgerlichund sah das Werk der Maurer an. »Hinter dem Viehhaus stehen noch genug rote Steine – warum diese häßlichen weißen Zementsteine dazwischen?!«
    Die beiden Maurer sahen sich an und grienten unter ihren Maurerbärten. Aber nach der Art solcher Leute taten sie, als hörten sie nichts, sondern sie mauerten geruhig weiter fort. Schwapp, spritzte der fette Zementbrei. Ein Hilfswachtmeister, der musternd mit dem Kopf aus der Öffnung gefahren kam, zog ihn beim Anblick des Herrn von Studmann hastig wieder zurück.
    »Nun?« fragte Herr von Studmann recht ärgerlich.
    Der junge Pagel sah seinen Vorgesetzten und Freund lächelnd an. Aber er lächelte eigentlich nur mit den Augen, sie wurden ganz hell davon. Pagel warf seine Zigarette ins Gebüsch, hob die Achseln und sagte mit einem Seufzer: »Es ist ein Kreuz, Herr von Studmann …« Und er ließ die Achseln wieder sinken.
    »Was ist ein Kreuz?« fragte Herr von Studmann sehr ärgerlich, denn nörgelnde Kritik an einer notwendigen Arbeit war ihm verhaßt.
    »Das!« sagte Pagel und zeigte mit dem Finger auf die Türöffnung.
    Die beiden Maurer prusteten los.
    Herr von Studmann starrte auf die Wand, auf die Türöffnung, auf die Steine, weiß und rot …
    Plötzlich ging ihm ein Licht auf, er rief: »Sie meinen, das wird ein Kreuz, Pagel –?«
    »Ich dachte, es wirkt gefälliger«, sagte Pagel grinsend. »So ’ne glatte rote Wand ist ein langweiliger Anblick. Dachte ich. Aber mit einem Kreuz – Kreuz regt gewissermaßen zur Einkehr an.«
    Man muß sagen, die Gutsmaurer mauerten mit einem geradezu gegenrevolutionären Eifer, sie wollten das Kreuz vor einem Verbot so weit wie möglich in Sicherheit bringen.
    Aber Herr von Studmann lachte nach einem Augenblick des Nachdenkens auch. »Sie sind ein Frechling, Pagel«, sagteer. »Nun, wenn es zu schlimm wirkt, kann man die weißen Steine immer noch rot anpinseln. – Sehen Sie zu, daß Sie bald fertig werden«, sagte er zu den Maurern. »Mit einem Ruck hoch, verstanden? Jetzt kann man wohl drüben vom Schloß noch nicht sehen, was es werden soll?«
    »Jetzt noch nicht«, sagten die Maurer. »Und wenn wir erst bei dem Querbalken sind, kann der junge Herr vielleicht ein bißchen weggehen? Wenn die schicken, wir tun nur, was uns gesagt wird.«
    »Das sollen Sie auch!« erklärte Herr von Studmann gebieterisch. Er wollte kein Komplott mit den Leuten gegen die alte Herrschaft.
    »Hören Sie, Pagel«, sagte er zu dem Exfahnenjunker. »Ich gehe jetzt zur Villa und bringe dem Prackwitz das hier bei.« Umfassende Handbewegung zwischen Schloß und Schnitterkaserne. »Sie halten hier indessen unter allen Umständen die Stellung – einschließlich – ähemm! – Kreuz!«
    »Kreuzstellung wird gehalten, Herr Oberleutnant!« sagte Pagel. Er schlug die Hacken zusammen und legte die Hand, da er nichts als seinen Haarschopf trug, an die Stirn. Er sah Herrn von Studmann nach, der aber nicht nach seinen Worten zur Villa ging, sondern in das Beamtenhaus. Es war dem Oberleutnant nämlich eingefallen, daß er in der Villa unter Umständen die Damen treffen würde. Unmöglich konnte er dort so verschwitzt auftreten, zum mindesten einen frischen Kragen mußte er sich umbinden. Bei einem Studmann ist von einem frischen Kragen zu einem frischen Hemd nur ein Schritt. Also wusch sich der Oberleutnant von oben bis unten kühl ab – und in der Zwischenzeit nahm das Verhängnis seinen Lauf.
    Während Herr von Studmann sich wusch, kreuzte das Unheil flügelschlagend den Weg nach der Villa, hinter den letzten Häusern des Dorfes.
     
    Der alte Elias hatte recht gesehen: sein Brotherr war in den Park gegangen. Wenn uns gar nichts Neues mehr einfällt,fällt uns wenigstens immer noch ein, was von unsern alten Plänen unerledigt ist. Herrn Geheimrat von Teschow war auch so etwas eingefallen. Ohne zu zögern, aber doch mit sorglichem Rundblick aus seinen kugligen, leicht geröteten Seehundsaugen begab er sich an jene Stelle des Parkzauns, an der er nächtens schon einmal gestanden hatte. Wie damals brachte er als Werkzeug nichts als seine Hände mit. Aber mit dem Gedächtnis ist es eine wunderbare Sache: was wir behalten wollen, das behalten wir auch. Trotz dunkler Nacht und manchem seitdem verstrichenen Tage hatte der Geheimrat nicht vergessen, wo die lose Latte saß. Ein Zug, ein Stemmen, ein Drücken – die

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