Wolf unter Wölfen
fauchenden Blasebalg rot erglühte – und nun trat der Schmied aus der Tür, groß und dunkel, mit einem Lederschurzfell, und über dem Amboß wurden Violet von Prackwitz und der Leutnant Fritz getraut!
Ach, dieser unselige Schmied von Gretna Green – daß es auch gerade ein Schmied sein mußte! Wäre es ein Schornsteinfeger oder ein Schneidermeister gewesen, nie hätte er in den Köpfen von zwei Generationen soviel Unheil anrichten können, letzte Hoffnung aller verzweifelten blutjungen Liebenden!
Aber ein Schmied – in der bürokratischen Papierwelt erschien er allen denen, die ihre Papiere nicht zusammenkriegen konnten, wie ein Recke der Vorzeit, Eisen und Blut, Fleisch und Hammersang, der nach göttlichem Recht traute, nicht nach papiernem.
Er hat so viele Köpfe verdreht, dieser sportelnfette Ehemacher – warum sollte er nicht auch noch der Weio den Kopf verdrehen? Sie sah die Schmiede, und sie sah den Schmied, er konnte trauen, und er traute, und nun gab es keine Heimlichkeiten mehr und kein verzweifelndes Warten. Keinen Stubenarrest, keinen schamlosen Diener Räder und keinen frechen Herrn Pagel – es gab nur noch den Fritz, morgens, mittags, abends, tags wie nachts, alltags wie sonntags …
Und diese Träume waren so schön, und sie verstrickten die Weio so sehr, und sie spann sich darin ein wie in ein warmes, beschützendes Netz, daß sie gar nicht mehr an Weg und Vater dachte, sondern ganz selbstvergessen, leise vor sich hin summend einherging. Bei der Tochter war es derLeutnant, bei dem Vater war es der Horchwagen, sie träumten alle beide, ihrem Lebensalter angemessen …
Und so bekamen sie alle beide den gleichen Schreck, als ein Mann aus einem Busch heraustrat, ein Mann in einer ziemlich abgerissenen feldgrauen Montur, aber mit einem Stahlhelm auf dem Kopfe, einem Gewehr unter dem Arm, und am Gürtel nicht nur eine Pistolentasche, sondern auch ein halbes Dutzend Handgranaten.
Dieser Mann befahl sehr entschieden: »Stehenbleiben!«
Nach dem ärgerlichen Zusammentreffen mit dem Geheimrat hatte den Rittmeister sein Wunsch nach Einsamkeit unversehens immer tiefer in die Forst geführt; längst hatten Vater und Tochter die halbwegs begangenen Schneisen verlassen, und auf einer Art Pirschpfad waren sie in einen verlassenen Waldteil geraten, der nur »Der Schwarze Grund« hieß. Hier, an den äußersten Grenzen des Teschowschen Waldreviers, sah es düster und verwildert aus. Selten nur kamen die Forstarbeiter hierher, um aufzuräumen und durchzulichten. Das sonst fast handflache Land warf hier Wellen und Buckel, zwischen denen dunkle Tälchen saßen, in deren Kesseln Quellen versickerten, grade kraftvoll genug, auch einen trockenen Sommer zu überdauern und einen Morast zu bilden, in dem das Schwarzwild sein fast unzugängliches Standlager hatte. Die Fichten und Tannen ragten hoch und dunkel, weithin bildeten die Brombeeren undurchdringliche Dickichte – nicht einmal für Wilderer war hier etwas zu holen, der Schwarze Grund war zu dicht.
Und mitten in dieser tiefen Waldesverlassenheit stand nun ein schwerbewaffneter Mann und sprach ganz ohne jeden Rechtsgrund zu dem Schwiegersohn des Besitzers: »Stehenbleiben!« Und sprach es auch noch unhöflich.
Violet von Prackwitz hatte im ersten Schreck einen kleinen Schrei ausgestoßen. Aber nun stand sie ruhig, doch tief atmend da – irgend etwas sagte ihr, daß dieser Soldat mit ihrem Leutnant zu tun haben müßte, daß sie ihn nach so langer Trennung vielleicht sogar zu sehen bekommen würde …
Der Herr Rittmeister aber, der im ersten Schrecken bloß »Nanu!« gesagt hatte, war über dieses »Stehenbleiben« in der Forst, wo er eigentlich der Erste für solche Befehle gewesen wäre, gar nicht so ärgerlich, wie man denken sollte. Denn der Mann, der ihm diesen unhöflichen Rat gab, trug eine Uniform, und der Rittmeister trug keine Uniform. Und wenn der Rittmeister von der Richtigkeit eines Satzes durchdrungen war, so von dem, daß eine Uniform jedem Zivilisten befehlen kann. Diesen Satz hatte er mit der Muttermilch eingesogen, sein ganzes Offiziersleben hindurch wahr befunden – und so stand er denn auch sofort still, sah den Posten an und wartete, was nun geschehen würde. (Auch das wortlose Warten gehörte dazu. Echte Zivilisten hätten natürlich neugierig gefragt, ein altgedienter Mann hält die Schnauze und wartet.)
Und richtig, als der Mann sah, daß seine beiden Leute keine Miene zu Widerstand und Ausreißen machten, setzte er eine kleine
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