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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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langsam dann heller. Eine kleine Rüböllaterne baumelte von dem rohen, nicht zugehauenen Deckbalken. Sie warf ihren warmen, rötlichen Schein direkt in das Studmannsche Gesicht – und dieses Gesicht lachte, lachte! Die Augen funkelten vor Freude, hundert Fältchen sprangen und zuckten in ihren Winkeln.
    Auch das wiedergeschenkte Leben ist in diesem Lachen, sprach eine Stimme im Rittmeister.
    Es war nichts, nur eine Erinnerung an eine Nacht in einem Unterstand – wo war es gewesen –? Irgendwo in der Ukraine. Es war ein reiches Land, Kürbisse und Melonen wuchsen zu Hunderten auf den Feldern. Sie hatten sich von dem Überfluß in den Unterstand geholt, auf Wandbretter gelegt. Sie schliefen, eine Ratte (es gab Tausende von Ratten), eine Ratte stieß einen Kürbis vom Brett. Er fiel einem Schläfer auf den Kopf, in das schlafende Gesicht. Der Schläfer schrie gräßlich auf, der weiterrollende Kürbis tat Schlag um Schlag. Sie lagen, alle erwacht, atemlos, flach in ihre Decken gedrückt, in Erwartung der Sprengstücke des Einschlages. Sekunden der Todesangst – das Leben verrauscht, jetzt lebe ich noch, ich will etwas denken, was sich lohnt, die Frau, das Kind, das Mädchen Weio, ich habe noch hundertfünfzig Mark in der Tasche, besser, hätte ich meine Weinrechnung bezahlt, die sind nun auch futsch …
    Und nun das Lachen von Studmann: Kürbis! Kürbis!
    Sie lachen, lachen! Auch das wiedergeschenkte Leben ist in diesem Lachen. Der kleine Geyer wischt sich die blutende Nase und lacht auch. Richtig, Geyer hieß er. Er fiel wenig später, Kürbisse waren im Kriege Ausnahmen.
    Aber das war es gewesen: echte Furcht und echte Gefahr und echter Mut! Zittern – aber dann aufspringen, entdecken,daß es nur ein Kürbis war, und wieder lachen! Über sich, über die Furcht, über dies närrische Leben – weitergehen, die Straße hinunter, auf den nicht existenten Punkt zu. Aber von etwas bedroht zu werden, das Papier kotzte, von etwas gezwungen zu werden, das die Welt um Nullen bereicherte – das war schändlich! Es schmerzte den Mann, der es tat; es schmerzte den Mann, der es den andern tun sah.
    Prackwitz sieht aufmerksam den Freund an. Von Studmann ist schon vor einer Weile eingetreten und hört dem Kellner zu, der vor einer Weile so achtsam die Bestecke zählte und der jetzt aufgeregt irgend etwas vorbringt. Sicher eine Beschwerde über irgendeinen Kollegen. Prackwitz kennt aus eigener Erfahrung dieses zänkische, hitzige Reden. (Mit seinen Beamten auf Neulohe ist es ihm nicht anders ergangen. Ewige Zänkerei, ewiger Klatsch. Am liebsten würde er ja weiter mit nur einem Beamten wirtschaften, damit ihm wenigstens dieser Ärger erspart bleibt. Aber er muß wirklich sehen, daß er noch jemanden kriegt. Die Diebstähle nehmen überhand, Meier schafft es nicht, und Kniebusch ist alt und verbraucht. Nun, das nächste Mal. Dieses Mal ist keine Zeit mehr, um zwölf muß er auf dem Schlesischen Bahnhof sein.)
    Der Kellner redet noch immer, redet sich in Brand und Flammen. Von Studmann hört ihm zu, freundlich, aufmerksam, ab und an sagt er ein spärliches Wort, nickt auch mal, schüttelt mit dem Kopfe. Es ist kein Leben mehr in ihm, entscheidet der Rittmeister. Ausgebrannt. Erloschen. – Aber, denkt er mit plötzlichem Erschrecken, vielleicht bin auch ich ausgebrannt und erloschen – merke es bloß nicht?
    Dann plötzlich – ganz überraschend – sagt Studmann einen einzigen Satz. Der Kellner, völlig aus dem Konzept gebracht, bricht jäh ab. Studmann nickt ihm noch einmal zu und geht an den Tisch des Freundes.
    »So«, sagt er und setzt sich – und sofort wird sein Gesicht lebendiger. »Nun, denke ich, habe ich eine halbe Stunde Zeit. Wenn nichts dazwischenkommt.« Er lächelt Prackwitzaufmunternd zu. »Aber es kommt eigentlich immer was dazwischen.«
    »Du hast viel zu tun?« fragt Prackwitz, ein wenig verlegen.
    »Gott, zu tun!« Studmann lacht kurz. »Wenn du die andern fragst, hier die Liftboys oder die Kellner oder die Portiers, die werden dir erzählen, daß ich gar nichts zu tun habe, nur so rumstehe. Und doch bin ich abends so hundemüde wie nur damals, wenn wir Schwadronsexerzieren hatten und der Alte schliff uns.«
    »So etwas wie einen Alten gibt es hier vermutlich auch?«
    »Einen –? Zehn, zwölf! Generaldirektor, drei Direktoren, vier Subdirektoren, drei Geschäftsführer, zwei Prokuristen –«
    »Bitte, höre auf!«
    »Aber am Ende ist es nicht so schlimm. Es hat viel Ähnlichkeit mit dem Militär.

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