Wolf unter Wölfen
einteilen, sparen, wieder anfangen – kurz, daß Geld das ist, worum sich die Welt dreht. Daß es einfach lächerlich lebensfremd ist, nicht an das Geld zu denken, nicht davon reden zu wollen – das Wichtigste, was es gibt!«
»Aber ist das denn richtig?!« rief Prackwitz aus, verzweifelt über den neuen Geisteszustand des Freundes. »Ist das denn etwa schön –? Bloß leben, um das bißchen Hunger satt zu kriegen?!«
»Gewiß ist es nicht richtig. Gewiß ist es nicht schön«, stimmte Studmann zu. »Aber danach wird nicht gefragt, vorläufig ist es so. Und wenn es so ist, darf man nicht dieAugen zukneifen, sondern muß sich damit beschäftigen. Und wenn man es nicht schön findet, muß man sich fragen, wie ändert man es?«
»Studmann«, fragte von Prackwitz ganz bestürzt und verzweifelt, »Studmann, du bist doch nicht etwa Sozi geworden –?«
Der ehemalige Oberleutnant sah einen Augenblick so bestürzt und verblüfft aus, als habe man ihn eines Meuchelmordes verdächtigt. »Prackwitz«, sagte er, »alter Kriegsgenosse, die Sozis denken doch über das Geld genauso – wie du! Nur möchten sie es dir wegnehmen, damit sie es haben. Nein, Prackwitz, ein Sozi bin ich gewiß nicht. Und werde es auch nicht.«
»Aber was bist du denn?« fragte von Prackwitz. »Zu irgendeiner Gruppe oder Partei mußt du doch schließlich gehören.«
»Wieso?« fragte von Studmann. »Warum muß ich das eigentlich?«
»Ja, ich weiß nicht«, sagte von Prackwitz, ein wenig verblüfft. »Zu irgendwas gehört doch schließlich jeder von uns, das ist doch schon wegen der Wahlen. Irgendwie muß man sich doch einordnen, ins Glied treten. Es ist gewissermaßen – ordentlich!«
»Wenn es für mich aber noch keine Ordnung gibt?« fragte von Studmann.
»Ja …«, sagte Prackwitz nachdenklich. »Ich weiß noch«, erinnerte er sich, »ich hatte da mal so einen Kerl in der Schwadron, einen Schnöffel, sagten wir ja immer, einen Sektierer, wie hieß er doch? Grigoleit, jawohl, Grigoleit! Ein ganz proprer, ordentlicher Mann. Aber er weigerte sich, einen Karabiner oder ein Seitengewehr anzufassen. Bitten half nichts, Stauchen half nichts, Strafen half nichts. ›Zu Befehl, Herr Leutnant‹, sagte er – ich war Leutnant, es war noch im Frieden –, ›aber ich darf es nicht. Sie haben Ihre Ordnung, und ich habe meine Ordnung. Und weil ich meine Ordnung habe, darf ich mich nicht an ihr versündigen. Einmalwird ja doch meine Ordnung Ihre Ordnung sein …‹ Und solches Zeug, irgendein Sektierer, Pazifist, aber von der anständigen Sorte, nicht diese Drückeberger, die ›Nie wieder Krieg!‹ schreien, weil sie feige sind … Nun, man hätte ihm natürlich das Leben zur Hölle machen können. Aber der Alte war auch vernünftig und sagte: ›Er ist ja bloß ein armer Idiot!‹ Und so wurde er d. u. 15 geschrieben, weißt du, wegen bestehender Geisteskrankheit …«
Der Rittmeister schwieg nachdenklich, vielleicht sah er den dicken, rundköpfigen Grigoleit mit dem weißblonden Haar vor sich, der so gar nicht nach einem Märtyrer aussah.
Studmann aber lachte hell heraus. »O Prackwitz!« rief er. »Du bist doch noch immer der alte! Und wie du mir hier eben in aller Unschuld Idiotie und bestehende Geisteskrankheit bescheinigt hast – ohne es auch nur zu merken –, das erinnert mich doch sehr lebhaft daran, wie du damals nach dem Manöver unserm Alten, der wahnsinnig schlecht abgeschnitten hatte, zum Trost von einem Major erzähltest, der sogar bei der Manöverkritik vor der versammelten Generalität vom Gaul gefallen war und doch nicht den blauen Brief bekommen hatte! Und weißt du noch –?«
Damit verloren sich die beiden Freunde in gemeinsame Erinnerungen, ihre Stimmen wurden lebhafter. Aber das machte nichts. Jetzt fing das Café an sich zu füllen. Geschäftig liefen die Kellner, trugen schon die ersten Biergläser, Stimmen schwirrten. Das Gespräch der beiden war nur eines von vielen.
Nach einer Weile aber, als sie sich genug erinnert und genug gelacht hatten, sagte der Rittmeister: »Ich möchte dich auch noch was fragen, Studmann. Ich sitze da so allein auf meiner Klitsche und höre und sehe immer nur dieselben Leute. Aber du bist hier in der Großstadt und noch dazu in solchem Betriebe, und sicher hörst und weißt du mehr als wir alle.«
»Ach, wer weiß denn heute was?!« fragte Studmann und lächelte. »Glaub mir, selbst Herr Ministerpräsident Cuno hat keine Ahnung, was morgen wird.«
Aber Prackwitz ließ sich nicht beirren. Er
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