Wolf unter Wölfen
daß er die Weigerung nicht übel aufnehme, und wandte sich zur Tür. Plötzlich fiel ihm etwas ein. Er drehte sich rasch um, ging noch einmal auf Herrn Feld zu und sagte: »Wissen Sie was, Herr Feld?! Kaufen Sie mir den ganzen Kitt ab. Für drei Dollar. Dann hat die liebe Seele Ruh.« Ihm war eingefallen, daß der reiche Zecke ihm sicher mit einer größeren Summe aushelfen würde. Es würde ein Riesenspaß sein, Peter mit einer völlig neuen Ausstattung zu überraschen. Was sollte sie da noch mit dem alten Plunder? Nein, weg mit dem Kram!
Herr Feld schrieb noch eine Weile weiter. Dann steckte er die Feder ins Faß, lehnte sich etwas zurück und sagte: »Ein Dollar, mit dem Koffer, Herr Leutnant. Wie gesagt, die Sachen sind – nicht modern.« Sein Blick fiel auf die Wanduhr. Es war zehn Minuten vor zwölf. »Und zum gestrigen Dollarkurs.«
Einen Augenblick wollte sich Wolfgang ärgern. Es war die frechste Beutelschneiderei von der Welt! Einen Augenblick überkam es Wolfgang leise, leise, als müsse er auch an den Peter denken – Waschzeug und sein uralter Sommerpaletot waren zur Zeit ihr einziger Besitz. Aber ebenso rasch kam der Gedanke: Zecke gibt Geld. Und wenn nicht er, ich habe noch immer Geld geschafft! – Und er sagte mit einer raschenHandbewegung, die zeigen sollte, wie wenig es darauf ankam: »Also, in Ordnung! Her mit dem Zaster! Vierhundertvierzehntausend!«
Es war wirklich ein Dreck, wenn er bedachte, daß er gestern abend nahezu dreißig Millionen auf Null verspielt hatte. Und man mußte lachen über solche Mikrobe wie den Feld, der sich um diesen Dreck abmühte, um diese lächerlichen Beträge!
Der Onkel, der böse, zähe Onkel, die Mikrobe, kletterte langsam von seinem Kontorbock herunter, ging zum Safe, wühlte eine Weile darin und zählte Wolfgang dann vierhunderttausend Mark auf.
»Fehlen noch vierzehn«, sagte Wolfgang.
»Vier Prozent Skonto gehen wie handelsüblich für Barzahlung ab«, sagte Herr Feld. »Macht eigentlich dreihundertachtundneunzigtausend. Zweitausend schenke ich Ihnen, weil Sie alter Kunde sind.«
Wolfgang lachte: »Tüchtig sind Sie nun einmal, Onkelchen! Sie kommen zu was, passen Sie auf! Ich werde dann Chauffeur bei Ihnen, ja?«
Herr Feld nahm es ernst. Er protestierte: »Von Ihnen mich fahren lassen, Herr Leutnant! Nein, nicht für umsonst! Wo es Ihnen doch auf gar nichts ankommt, nicht einmal auf Ihre Sachen. Nein, nein …« Und wieder ganz der Pfandleiher: »Also, wenn wieder einmal etwas ist, Herr Leutnant. Bis dahin!«
Pagel ließ die Scheine mit dem schönen Holbeinischen Bild des Kaufmanns Georg Giße – der sich auch nicht gegen den Mißbrauch seiner Person wehren konnte – in der Hand knistern und sagte lachend: »Wer weiß, vielleicht verhilft mir dies zu einem eigenen Auto!«
Die Miene des Pfandleihers blieb sorgenvoll, er schrieb. Lachend trat Wolfgang auf die Straße.
3
Nach der ekelhaften Verhandlung in der Schnitter-Vermittlung, fand Rittmeister von Prackwitz, hatte er ein wenig Ausspannung verdient. Aber wo ging man hin, so am frühen Vormittag? Dies war eine Zeit, um die der Rittmeister bisher noch nicht oft unterwegs gewesen war in Berlin. Schließlich fiel ihm ein Hotel-Café in der Friedrichstadt ein, wo man angenehm sitzen und vielleicht ein paar gut angezogene Frauen sehen konnte.
Der erste Mensch, den der Rittmeister in der Hotelhalle sah, war natürlich ein Bekannter. (Prackwitz traf in »seiner« Gegend – natürlich nicht am Schlesischen Bahnhof – immer Bekannte. Oder Bekannte von Bekannten. Oder Verwandte. Oder Bekannte von Verwandten. Oder Kameraden vom Regiment. Oder Kameraden aus dem Krieg. Oder Baltikumer. Oder »Schnöffels«, wie man im Rrr’ment die Muschkoten früher genannt hatte. Er kannte in aller Welt alle Welt.)
Diesmal war es sogar ein Regimentskamerad, Oberleutnant von Studmann.
Herr von Studmann stand in der Halle, tadelloser Gehrock, spiegelnde Schuhe (zu so früher Stunde!), und schien einen Augenblick über das Wiedersehen etwas verlegen. Aber der Rittmeister merkte in seiner Freude, einen Gefährten für die zwei Stunden Wartezeit gefunden zu haben, nichts davon.
»Studmann, Alter – großartig, daß ich dich mal wiedersehe! Ich habe zwei Stunden Zeit für dich. Hast du schon Kaffee getrunken –? Ich will grade – zum zweiten Male, heißt das. Aber der erste auf dem Schlesischen rechnet nicht, er war schauerlich. Wann haben wir uns eigentlich das letztemal gesehen? In Frankfurt – zum
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