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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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sofort ein. »Na also, das ist ja Geschmackssache. Mir gefällt Peter ausgezeichnet. Wie ich da mit Peter also ein Jahr zusammen gehaust habe …«
    »Sie haben mit ihr richtig zusammen gelebt!?«
    »Natürlich! Wie denn sonst? Da findet doch heute kein Mensch mehr was bei! Ich hab gedacht, das ist genauso wie mit den früheren. Diese ist friedlicher und netter, deswegen hält’s ein bißchen länger. Und wie es dann doch zu Ende war, grade ehe ich hierherkam, dachte ich: Nun also! Wegmit Schaden! Wird sich schon eine andere finden! Wissen Sie«, sagt Pagel sich besinnend, »eigentlich, wenn man es sich jetzt so überlegt, ist es hundsgemein, so zu denken. – Aber was soll man tun, alle reden sie so, alle tun sie so, und dann denkt man, das ist auch so …«
    »Das ist auch so!« erklärt Weio trotzig.
    »I wo, Schiete!« ruft Pagel übermütig. »Das ist ja grade meine Entdeckung! Die ganzen Wochen laufe ich hier nun schon in Neulohe herum, und soweit gefällt es mir ja ganz gut, danke schön, aber einen richtigen Mumm habe ich doch nicht gehabt. Früher, wenn ich morgens bloß aufwachte, freute ich mich schon, ganz ohne besonderen Grund, bloß weil ich da war; heute denke ich: Ach, wieder so ’n Tag, na, rin ins Hemde, daß er rasch verbraucht wird …«
    »Genau wie bei mir«, sagt Weio. »Mich freut auch nichts mehr.«
    »Dieselbe Krankheit, meine Dame!« ruft Pagel. »Ich pule Ihnen das noch genau auseinander! Also keinen Mumm mehr und keinen Spaß mehr, und körperlich ist einem auch so unfrisch …«
    »Ich will Ihnen was sagen«, erklärt Violet wichtig. »Ich habe das gelesen: Sie haben einfach Abstinenzerscheinungen – wo Sie doch ganz mit ihr zusammen gelebt haben.«
    »I du Donnerwetter!« ruft Wolfgang Pagel verblüfft. »Für Ihr Alter war das ganz hübsch, gnädiges Fräulein!«
    Er schweigt einen Augenblick nachdenklich. Bedenken steigen in ihm auf: Ist es auch richtig, daß er einem so jungen Mädchen, grade diesem jungen Mädchen, von seiner Entdeckung erzählt –? Aber er beruhigt sich wieder; wäre sie wirklich, wie dieser Ausspruch vermuten läßt, sie hätte ihn nicht getan! Wirklich verdorbene Menschen suchen ihre Verderbtheit zu verbergen.
    »Nein«, sagt er darum wieder nach einer Weile. »Es gibt Mädchen genug im Dorf. Das ist es grade, was ich entdeckt habe, daß nicht an jeder Ecke eine andere steht. Oder eben doch: eine
andere
. Aber man sucht dieselbe.Glücklich kann nur dieselbe machen. Und auch Sie suchen denselben …«
    Sie denkt eine Weile nach, dann sagt sie: »Ich weiß es nicht, ich verstehe es nicht. Ich bin so ruhelos, immerzu treibt es mich um, und dann eben, wie ich in Ihr Fenster sah, dann ist mir so, als wäre es ganz gleich, wer es ist, als könnte jeder mir Ruhe geben …«
    »Ich«, sagt Pagel, »ich habe es jetzt erst begriffen. Wenn ich ein Mädchen sehe, und es mag mir noch so gut gefallen, ich muß es gleich mit Peter vergleichen, und dann weiß ich, es ist nichts.«
    »Verstehen Sie das?« fragt Weio und hat kaum auf ihn gehört. »Nach so was kann man nun keinen Menschen fragen! Die Eltern nicht, keinen. Ich denke den ganzen Tag daran, und nachts träume ich davon. Manchmal glaube ich, ich werde noch verrückt. Wenn Papa und Mama fort sind, schleiche ich in Papas Zimmer und sehe im Konversationslexikon nach. Aber wenn man darin liest und man liest in Räders Buch, dann klingt es so, als wäre alles nur Körper. Und manchmal ist mir dann so, als stimmte es, und ich werde traurig. Und dann wieder sage ich mir: so kann es doch nicht sein …«
    »Natürlich ist es nicht nur der Körper«, sagt Pagel. »Das haben Sie sich so zurechtgemacht. Wenn es nur der Körper wäre, dann wäre ja jeder für jede richtig, und da braucht man sich ja nur die andern anzusehen, um zu wissen, daß das nicht stimmen kann.«
    »Da haben Sie recht«, meint sie. »Aber – vielleicht ist es doch so, daß mehrere stimmen? Vielleicht sehr viele? Bloß nicht alle! Alle natürlich nicht.«
    »Ich denke jetzt: nur eine!« sagt Pagel. »Ich bin schrecklich froh, daß ich das gefunden habe …«
    »Herr Pagel …«, sagt sie halblaut.
    »Ja –?«
    »Herr Pagel – ich wäre – vorhin – schrecklich gern zu Ihnen ins Zimmer gekommen.«
    Er schweigt.
    Sie sagt trotzig: »Es ist sicher schrecklich gemein von mir, daß ich das sage, aber es ist doch so. Bei allen muß ich lügen, auch bei Fritz. Da will ich bei Ihnen einmal die Wahrheit sagen können.«
    »Sie hätten sicher einen

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