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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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sich, es ist wie eine Schlafwandlerin, man darf es nicht plötzlich aufwecken. Peter war anders – oh, Peter war ganz anders! Sie wußte alles – aber sie war unschuldig wie ein Kind! Es kann unmöglich stimmen, was sie mir auf der Wache von ihr erzählt haben. Peter war nicht verderbt, sie wußte, aber sie war immer unschuldig …
    »Was ist Ihnen?« fragt Weio und sieht ihn verständnislos an. »Woran denken Sie?«
    »Ach –«, sagt er verloren. »Ich habe mich eben an was erinnert …«
    »Erinnert –?!« fragt sie.
    »Ja«, sagt er. »Erinnert. Ich gehöre einer andern Frau.« Er sieht die plötzliche Veränderung ihres Gesichtes, das Erschrecken. Er sagt eilig: »So, wie Sie einem andern Mann gehören.«
    »Ja –?« fragt sie folgsam. Sie ist so leicht zu lenken, ein junges Pferd, das Maul ist noch zart. Sie folgt jedem Zügelzug. »Und die andere Frau – ist es auch vorbei?«
    »Ich habe es gedacht«, sagt er eilig. »Aber eben fiel mir ein, daß es vielleicht doch nicht vorbei ist.«
    »Eben –?«
    Sie steht da, im Fenster, zwischen den Vorhängen, wie er sie mitten im Kuß vergaß, das Haar unordentlich, die Brustnoch immer entblößt, die Unterlippe weinerlich zitternd –: die Stätte der Lust, von der Lust verlassen … Sie sieht bemitleidenswert aus.
    »Auch bei Ihnen ist es ja nicht wirklich vorbei«, tröstet er hastig. »Sie brauchen nur ein wenig zu warten, Sie wissen doch. Es ist nur ehrenhaft von ihm, daß er sich solange zurückzog.«
    »Meinen Sie –?« fragt sie lebhafter. »Sie meinen, er kommt wieder? Es sind nur meine dummen fünfzehn Jahre?«
    »Natürlich!« sagt er. »Warten Sie, ich mache mich schnell zurecht, ich bringe Sie nach Haus. Wir können noch über alles reden.«
    Er dreht sich um, er geht zum Spiegel, kämmt sich das Haar. »Brauchen Sie auch einen Kamm?« ruft er. »Da!«
    Er zieht sich seine Jacke an, wäscht sich die Hände, unterdes ist auch sie fertig geworden. »Los!« sagt er und schwingt sich durch das Fenster. »Das Licht kann ruhig brennen bleiben, ich bin ja gleich wieder zurück.«
    Sie gehen gemächlich nebeneinanderher, die Nacht ist lind und windstill, sie verlockt zum Bummeln und Schlendern. Als sich im Gehen ihre Hände zweimal gestreift haben, faßt er ihre Hand, und so gehen sie weiter, Hand in Hand, wie zwei gute Freunde.
    »Wissen Sie was, Weio«, sagt Pagel, »ich will Ihnen sagen, was ich eben entdeckt habe. – Eigentlich schickt es sich ja nicht, über so was mit jungen Mädchen zu sprechen, aber wer soll es Ihnen sonst erzählen? Ihre Eltern doch bestimmt nicht –!«
    »Die!« sagt Weio verächtlich. »Die denken ja, ich glaube noch an den Klapperstorch!«
    »Siehste!« meint Pagel vergnügt. »Wahnsinnig rückständig – was die sich einbilden! Bei
den
Schlagern heute soll sich ein junges Mädchen wohl keine Gedanken machen? Also, passen Sie auf – aber wie sage ich es meinem Kinde? Verdammt komisch, von solchen Sachen zu sprechen; man geniert sich und ist wütend, daß man sich geniert …«
    »Ihre Entdeckung …«, erinnert Weio.
    »Jaha! Also, ich habe Ihnen doch gesagt, ich gehöre einer andern Frau, und glauben Sie mir, die Minute vorher habe ich das noch nicht gewußt …«
    »Hören Sie mal!« ruft Weio und bleibt stehen. »Sie sagen mir reizende Sachen …«
    »Ach, Quatsch, Weio, haben Sie sich doch bloß nicht so! Das ist doch keine Beleidigung für Sie, Sie sind doch jung und hübsch – na, und so weiter! Also, die Sache ist so: ich hab’s nicht gewußt, daß ich der anderen gehöre. Früher, ehe ich sie kannte, habe ich so rumgeflirtet, mal da, mal dort … Und ich habe gedacht, das ist immer so, das bleibt auch immer so: man verkracht sich, und dann ist eine andere da. Man hat die eine über, her mit der nächsten! Die Mädchen sind ja auch nicht anders«, sagt er ein bißchen beschämt, zur Entschuldigung seines krassen Männerstandpunktes … »Denken Sie bloß an das Lied: ›Wenn an der nächsten Straßenecke schon ein andrer steht‹ …«
    »So ist es doch auch, wenn’s der eine nicht ist, ist’s eben der andere!« stimmt Violet zu.
    »Sehen Sie!« sagt Pagel triumphierend. »Das ist eben der Quatsch! Auf den Leim bin ich auch gekrochen! Aber es ist gar nicht wahr! Wie ich mit dem Peter angefangen habe, ich habe meine Freundin nämlich immer Peter genannt, eigentlich heißt sie Petra …«
    »Komischer Name!« meint Weio abfällig.
    »Na, Violet ist nun auch nicht grade hinreißend!« ärgert sich Pagel, lenkt aber

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