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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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und jammern.
    »Klingt ziemlich besoffen«, sagt er überrascht zu sich.
    Er macht sich auf den Heimweg. Ich muß der Mama doch noch von Petra schreiben, denkt er. Sie muß sich erkundigen, was aus ihr geworden ist. Und habe ich in einer Woche keinen Bescheid, fahre ich nach Berlin. Ich werde sie schon finden … Die Weio ist ein schwerer Fall … Na, laß!

Aber die Zeitungen …
    Aus dem Sommer wurde langsam der Herbst, die gelben Getreideschläge leerten sich, der Schälpflug bräunte die helle Stoppel, die Leute auf dem Lande sagten: »Ja, das hätten wir wieder einmal geschafft!« Sie spuckten in die Hände und mähten das Grummet, manche fingen schon mit den Kartoffeln an!
    Ja, es war etwas getan worden, eine gewisse Menge Arbeitwar geleistet. Aber schlugen sie dann die Zeitungen auf – selten am übermüden Feierabend, eher noch am Sonntag – und lasen in ihnen: Was war nun draußen geschafft worden? Was hatte man in der Welt für Arbeit geleistet?
    Die Leute lasen in den Zeitungen, daß die Regierung Cuno gestürzt worden war. Die Regierung Stresemann tauchte auf, der die Franzosen freundlicher gesinnt sein sollten – aber die Franzosen wurden nicht freundlicher.
    Sie lasen davon, daß jetzt sogar in der Reichsdruckerei gestreikt wurde. Nun gab es eine Weile gar kein Geld mehr, nicht einmal das Dreckgeld.
    Sie lasen davon, daß ein Krieg anhob, erst noch ein Papierkrieg, zwischen dem Reichswehrminister und dem sächsischen Ministerpräsidenten. Sie lasen auch von einem Kampf der bayerischen Regierung gegen die Reichsregierung.
    Sie lasen davon, daß England seinen Widerstand gegen die französische Ruhrbesetzung aufgegeben habe; sie lasen von Separatistendemonstrationen in Aachen, Köln, Wiesbaden, Trier; sie lasen davon, daß das Reich in einer Woche an Unterstützungen für Rhein und Ruhr dreitausendfünfhundert Billionen Mark ausgegeben habe. Dann lasen sie von der Aufgabe des passiven Widerstandes an der Ruhr und am Rhein, der Kampf gegen die widerrechtliche Besetzung durch die Franzosen wurde aufgegeben.
    Sie lasen davon, daß der Export aufgehört habe, daß die deutsche Wirtschaft vernichtet sei; sie lasen auch von Kämpfen zwischen Separatisten und Polizei – die Polizisten aber wurden von den Franzosen in die Gefängnisse gesteckt.
    In dieser Zeit, in diesen wenigen Erntewochen stieg der Dollar von vier Millionen Mark auf hundertsechzig Millionen!
    »Wofür arbeiten wir?« fragten die Leute. »Wofür leben wir?« fragten sie. »Die Welt geht zugrunde, alles zerfällt«, sagten sie. »Laßt uns noch fröhlich sein und unsere Schmach vergessen, ehe wir dahin müssen!«
    So sagten sie, dachten sie, handelten sie.

ZWÖLFTES KAPITEL
Such verloren!

1
    Kam Frau Eva von Prackwitz in diesen Wochen auf das Büro, um mit Herrn von Studmann die Wirtschaft zu besprechen, so vergaß Studmann nie, mit einem raschen, ernsten Aufblick zu fragen: »Und Ihr Herr Gemahl? Was schreibt Prackwitz –?«
    Meistens bewegte Frau Eva dann nur verneinend ihre schönen, vollen Schultern, die sich in immer reizvolleren, leichteren Blusen verbargen (schien es Studmann). Manchmal aber sagte sie auch: »Wieder eine Postkarte! Es geht ihm gut. Er hat jetzt sein fünfhundertstes Karnickel geschossen!«
    »Ausgezeichnet!« pflegte dann Herr von Studmann zu sagen. Und nun sprechen sie nicht weiter vom Rittmeister, sie sprechen von der Ernte, von der Arbeit. Sie sind beide zufrieden mit ihren Erfolgen, aber sie sind auch zufrieden miteinander. Was für zweckmäßig gehalten wurde, das wurde ohne langes Reden beschlossen und auch ausgeführt. Stellte sich dann hinterher heraus, daß es doch nicht zweckmäßig gewesen war, so wurde nicht lange bedauert, sondern geändert, verbessert, anderes erprobt.
    Es kamen natürlich immer Fehler vor, große wie kleine. Es war nicht leicht für Herrn von Studmann, einen so großen, ihm ganz neuartigen Betrieb in der eiligsten Arbeitszeit zu übernehmen und zu leiten. Oft mußte er in einer Minute die schwierigsten Entscheidungen treffen. Es half kein Zögern: die Brücke zum Außenschlag 5 war zusammengebrochen, zwanzig Gespanne, achtzig Leute standen tatenlos herum, sahen tiefsinnig das in den Graben gesunkene Erntefuder an, rekelten sich schon im Schatten und sprachen: »Da kannste nichts bei machen!«
    Herr von Studmann machte was dabei. In einer Minute sausten die Boten ab zum Hof, in fünf Minuten waren Hacken, Spaten, Schaufeln auf dem Felde. Eine Viertelstunde später war schon ein Damm

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