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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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er hatte keine Ähnlichkeit mit der Ankunft der Husaren gehabt. Kein Lied war gesungen, kein Gesicht hatte gelächelt, mit gesenkten Köpfen, die Gesichter verbissen, die Schuhe im Staube der Straße schleifend, waren sie fortgezogen. Dieses hohle Schlürfen auf dem Wege hatte etwas so Verzweifeltes gehabt, ein böser Rhythmus, ein »Wir sind die Feinde dieser Erde« – so hatte es geklungen, für Wolfgang.
    Sicher hatten die Leute an ihre entflohenen Leidensgefährten gedacht, glühender Neid hatte sie erfüllt, wenn sie an die Freiheit dieser fünf dachten, die nun in den Wäldern hausten, während sie unter dem Geleit schußbereiter Karabiner wieder in ihre steinernen Einzelzellen zurückkehren mußten – sie bestraft, weil jene entflohen waren. Ihnen war der Anblick der Felderweite genommen, eines lachenden Mädchengesichtes, eines Hasen, der die Kartoffelfurche entlanghoppelt – eingetauscht gegen die gelbgraue Öde der Zellenwände, weil fünf andere in der Freiheit herumliefen.
    Vor dem Zuge aber ging der Oberwachtmeister Marofke; rechts hatte er ein Rad zu führen, links hatte er ein Rad zu führen – nicht einmal bewachen durfte er seine Leute noch. Hinter dem Zuge schritt schwer und schwarzweiß, mit strubbligen Augenbrauen, auf Elefantenfüßen der Inspektor, ganz allein, das weiße fette Gesicht ausdruckslos erhoben. In seinem Munde glänzten weiße starke Zähne. Auf einem Steine am Wegrande hatte Weio gestanden und den vorübergehenden Zug gemustert. Pagel war böse gewesen, daß sie dort stand.
    Dann hatte der Geheimrat mit einem Blick auf seine Enkelinzu der Tochter gesagt: »Übrigens würde ich dir empfehlen, die nächsten Nächte doch lieber nicht allein mit eurem dusseligen Räder in der Villa zu schlafen. Unsern klugen Oberlandjägermeister in allen Ehren, aber sicher ist sicher.«
    »Vielleicht würde einer der Herren –?« sagte Frau von Prackwitz und sah abwechselnd Pagel und Studmann an.
    Obwohl Marofke ausdrücklich vor allem Detektivspiel gewarnt hatte, wollte Pagel in den nächsten Nächten lieber frei sein, ein bißchen herumzustöbern, ein wenig umherzuhorchen – kurz, die Augen aufzuhalten, wie ihm gesagt worden war. Er sah darum keinen an, sondern zum Fenster hinaus – aber die Zuchthäusler waren endgültig fort, und die Schnitterkaserne sah wie ein roter, leerer Kasten aus.
    »Ich bin gerne bereit, bei Ihnen zu schlafen«, sagte von Studmann – und wurde entsetzlich rot.
    Der alte Geheimrat meckerte einmal auf und sah auch zum Fenster hinaus. Pagel, die Augen starr auf der Kaserne, bewegte die Schultern; die Ungeschicklichkeiten der Geschickten sind stets am allerschlimmsten. Wenn ein formvollendeter Mann wie Herr von Studmann ausrutschte, schämten sich alle, die es sahen.
    »Also, das ist abgemacht. Schönen Dank, Herr von Studmann«, sagte Frau von Prackwitz mit ihrer vollen, ruhigen Stimme.
    »Einen Haufen Geld wird es euch kosten, die Schnitterkaserne wieder in den alten Stand zu setzen«, erklärte der alte Geheimrat, die Augen immer noch aus dem Fenster. »All diese Gittergeschichten und Riegel müssen wieder weg, die Tür aufgebrochen – und das alles möglichst bald.«
    »Vielleicht könnte man das Haus vorläufig so lassen?« fragte Studmann vorsichtig. »Es wäre doch schade, wenn man alles rausrisse und müßte es im nächsten Jahr wieder einmauern.«
    »Im nächsten Jahre –? Nach Neulohe kommt nie wieder so ein Kommando!« verkündete der Geheimrat entschlossen. »Ich habe jetzt genug von den Angstzuständen deinerMutter, Eva. Na, ich will jetzt mal rauf und nach ihr sehen, die vielen grünen Landjägerröcke werden ihr gutgetan haben! So ein Aufstand – aber was wird mit euern Kartoffeln, frage ich mich immerzu.«
    Mit diesem letzten Kanonenschlag verließ der Geheimrat das Büro. Für das Rotwerden Herrn von Studmanns, für die kurze, nur ihm merkbare Verlegenheit der Tochter, für das betont gleichgültige Aus-dem-Fenster-Starren des jungen Pagel hatte der eifersüchtige Vater sich hinreichend gerächt.
    »Ja, was wird mit unsern Kartoffeln –?« fragte auch Frau Eva und sah Herrn von Studmann zweifelnd an.
    »Ich denke, das wird keine großen Schwierigkeiten machen«, erklärte Studmann eilig, froh, ein Thema gefunden zu haben. »Arbeitslosigkeit und Hunger werden immer größer. Wenn wir in der Kreisstadt bekanntmachen, daß wir Kartoffeln buddeln lassen, daß wir keinen Barlohn geben, sondern vom Zentner gebuddelter Kartoffeln zehn oder fünfzehn Pfund

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