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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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in natura, werden wir genug Leute kriegen. Wir müssen eben jeden Morgen zwei, drei, vier Gespanne in die Stadt schicken und die Leute holen lassen, wir müssen sie abends zurückfahren – aber es wird gehen.«
    »Umständlich – teuer«, seufzte die gnädige Frau. »Ach, wenn diese Zuchthäusler …«
    »Immer billiger, als wenn uns die Kartoffeln einfrieren. Sie, Pagel, werden dann auch nicht mehr Freiherr und Baron sein. Sie werden den ganzen Tag auf dem Felde stehen und Zählmarken ausgeben müssen, für jeden Zentner eine Marke …«
    »Gott zum Gruß!« sagte Pagel ergeben und überlegte ärgerlich, daß er sich dann seinem Augenaufreißen nicht mehr würde widmen können.
    »Ich muß morgen doch verreisen«, fuhr Herr von Studmann fort. »Ich werde dabei auch diese Sache in Gang setzen. Inserat im Kreisblatt – Besprechung mit dem Arbeitsamt.«
    »Sie wollen verreisen?« fragte die gnädige Frau. »Jetzt grade, wo die Zuchthäusler …« Sie war sehr ärgerlich.
    »Nur schnell einen Tag nach Frankfurt«, tröstete Herrvon Studmann. »Wir haben heute nämlich den Neunundzwanzigsten.«
    Frau von Prackwitz verstand nicht. »Übermorgen ist die Pacht fällig, gnädige Frau!« sagte Herr von Studmann mit Nachdruck. »Ich habe etwas vorverhandelt, aber nun wird es höchste Zeit, daß ich das Geld heranschaffe. Der Dollar steht auf hundertsechzig Millionen Mark, wir müssen eine ungeheure Summe auftreiben, jedenfalls eine ungeheure Menge Papier …«
    »Die Pacht! Die Pacht! Jetzt, wo die Zuchthäusler hier frei im Lande herumlaufen!« rief Frau Eva ungeduldig. »Hat mein Vater denn gemahnt –?«
    »Herr Geheimrat hat nichts gesagt, aber …«
    »Ich bin überzeugt, meinem Vater würde es gar nicht recht sein, wenn Sie grade jetzt losfahren. Sie haben doch eine Art Wachtdienst bei uns übernommen …« Sie lächelte.
    »Ich würde bis zum Abend zurück sein. Meiner Ansicht nach muß die Pacht auf die Minute bezahlt werden. Es ist das auch ein Ehrenpunkt von mir …«
    »Aber Herr von Studmann! Papa verliert doch nichts, wenn er die Pacht eine Woche später bekommt, zum dann geltenden Dollarkurs. Ich werde mit Papa reden …«
    »Ich glaube nicht, daß der alte Herr mit sich reden lassen wird. Sie haben eben erst gehört, daß er die sofortige Instandsetzung der Schnitterkaserne forderte.«
    »Es kann jetzt jede Stunde soviel passieren!« bat Frau von Prackwitz förmlich. »Wirklich, Herr von Studmann, lassen Sie mich nicht grade jetzt hier allein … Ich habe ein so ungemütliches Gefühl …«
    »Gnädige Frau!« sagte Herr von Studmann fast verlegen. Einen Augenblick sah er zu dem schweigend aus dem Fenster schauenden Pagel, aber gleich vergaß er ihn wieder. »Ich würde so gerne ja sagen, aber verstehen Sie doch, ich möchte Herrn Geheimrat nicht um einen Aufschub in der Pachtzahlung bitten. Es ist wirklich eine Ehrensache für mich. Ich habe die Wirtschaft von Prackwitz übernommen, ich binihm verantwortlich. Wir können zahlen, ich habe alles genau überlegt, es würde ja eine Blamage für mich sein. Man muß doch genau sein im Leben, exakt …«
    »Blamage! Genau!« rief Frau von Prackwitz sehr ärgerlich. »Ich sage Ihnen doch, meinem Vater ist es egal, wann wir zahlen.« Leiser: »Jetzt, wo mein Mann weg ist. Es kam ihm doch nur darauf an, meinen Mann zu ärgern. Ich sage Ihnen, wenn ich an die Villa denke, und allein die ganze Nacht mit der Weio und den törichten Mädchen und dem noch törichteren Räder, fünfhundert Meter bis ans nächste Dorfhaus … Ach, es ist nicht das!« rief sie plötzlich, ärgerlich, gereizt, überrascht, einen ganz andern Studmann kennenzulernen, ernstlich etwas von den Schattenseiten der Pedanterie und Verläßlichkeit zu erfahren. »Ich habe ein ungemütliches Gefühl, und ich möchte die nächsten Tage nicht ganz allein sein …«
    »Aber Sie haben wirklich nichts zu fürchten, gnädige Frau!« erklärte Studmann mit jener beharrlichen Sanftheit, die einen erregten Menschen wahnsinnig machen konnte. »Auch der Oberlandjägermeister meint, daß die Leute aus der hiesigen Gegend fort sind. – Und schließlich bleibt Vertrag Vertrag, grade unter Verwandten. Man muß ihn korrekt erfüllen, ich stehe schließlich mit meiner Person dafür ein. Prackwitz würde mir mit Recht vorwerfen …«
    »Der Herr Rittmeister!« sagte Pagel mit halber Stimme am Fenster. »Er fährt eben auf den Hof!«
    »Wer?« fragte Studmann verblüfft.
    »Mein Mann?« rief Frau von Prackwitz. »Ich

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