Wolf unter Wölfen
rief Marofke. »Was wissen Sie denn?! Und was weiß ich denn?! Hier braucht ja nur einer bei euch zu wohnen, der mit einem von meinen Jungens im Felde zusammen gewesen ist. Die brauchen sich ja nur anzusehen, und meiner sagt mit einem Blick: Hilf mir, Kamerad! – schon sind sie im Komplott! Einer von hier kann doch einmal in Untersuchungshaft gesessen haben, und mein Husar hat in der Zelle daneben seine Untersuchungshaft abgerissen, und sie haben sich damals Nacht für Nacht durchs Zellenfenster das Herz ausgeschüttet – schon ist der Schade geschehen. – Aber das alles braucht nicht zu sein, das wär ein Zufall – und ein Zufall braucht nicht zu sein. Aber die Weiber sind kein Zufall, die Weiber sind immer und überall dabei …«
»Was für Weiber –?« fragte Pagel verblüfft.
»Was für Weiber, Pagel? Alle Weiber! Das heißt, ich meinenatürlich nicht alle Weiber. Aber überall sitzt so ’ne Sorte, die ist scharf auf solche Kerls wie manche Männer auf Wildfleisch, wenn es recht stinkerig ist. Und die bilden sich ein, so ’n ausgeruhter Zuchthäusler ist mehr als ein anderer Mann, ist gewissermaßen raffinierter, Sie verstehen mich schon. Und solche Weiber tun alles, um einen Zuchthäusler für sich ins Bett zu kriegen; Gefangenenbefreiung und das, da denken die doch nicht daran, davon haben sie noch nie gehört …«
»Aber, Herr Oberwachtmeister!« wandte Pagel wiederum ein, »solche Weiber gibt’s vielleicht in Berlin, aber doch nicht hier bei uns auf dem Lande!«
»Woher wissen Sie das denn, junger Mann?« sagte Marofke unendlich überlegen, »was es hier für Sachen gibt und was für Weiber?! Nee, Fähnrich, Sie sind ein netter Kerl, Sie sind der einzige, der hier anständig zu mir war, aber Sie sind mir noch zu dünn! Sie denken immer: Es ist alles halb so schlimm, und es wird nischt so heiß gegessen, wie’s gekocht wird. Aber, Manning, Manning, das sollten Sie doch heute früh begriffen haben, daß manches noch viel heißer gegessen wird!«
Pagel machte ein unbehagliches Gesicht. Es heißt davon: ein Gesicht wie von einer Katze, wenn’s donnert. Für Pagel donnerte es jetzt, und recht unbehaglich.
»Ich habe Ihnen heute früh alles von meinen Gedanken erzählt«, sagte der Marofke seufzend. »Ich habe nicht geglaubt, daß Sie mir viel helfen könnten. Aber ich habe gedacht, er wird ein bißchen die Augen aufhalten, der junge Mann. Die Augen haben Sie ja nicht grade aufgehalten, Fahnenjunker, das Eiserne Kreuz hätten Sie im Felde nicht dafür gekriegt … Na, ist ja schon gut, ich weiß auch, wie einem jungen Mann zumute ist. Aber nun tun Sie mir einen Gefallen – machen Sie die nächsten Tage wirklich ein bißchen die Augen auf! Die ganzen Landjäger, so groß sie tun, ich glaube nicht, daß sie meine fünfe fangen … Und dann sind Sie hier, und es wäre doch ganz schön, wenn Sie in ein paar Tagen derDirektion schreiben könnten: Hier sind die fünf, und der Marofke hat uns gesagt, wie wir sie fassen … Was meinen Sie dazu?«
»Gerne, Ober!« sagte Pagel bereitwillig. »Und was soll ich nun also Ihrer Ansicht nach tun –?«
»Mensch!« sagte der Marofke und schnellte hoch von seiner Bank. »Haben Sie denn Watte in den Ohren? Haben Sie denn keine Verstehste? Ich habe Ihnen doch alles gesagt! Die Augen sollen Sie aufmachen, weiter gar nichts! Sonst wird nischt von Ihnen verlangt! Sie sollen nicht Detektiv spielen, Sie sollen nicht in die Ecken kriechen, nicht mal schlau sollen Sie sein – bloß die Augen sollen Sie aufmachen!«
»Na schön, Ober«, sagte Pagel und stand auch auf. »Ich werde sehen, was sich machen läßt …«
»Sie wissen Bescheid!« sagte Marofke eilig. »Ich glaube daran, die Leute haben Helfershelfer im Dorf, einen oder mehrere, wahrscheinlich Mädchen, aber das muß nicht sein. Solange hier rum alles voll Polizei ist, halten sie sich versteckt, im Wald, im Dorf, was weiß ich!
Sie
sollen die Augen auf haben! Und wenn’s ein bißchen ruhiger geworden ist, in drei, vier Tagen, dann fahren die Brüder ab, richtig mit der Bahn und fein in Zivil …«
»Ich werde aufpassen!« versprach Pagel.
»Tun Sie das aber auch!« bat Marofke. »Aufpassen ist schwerer, als man denkt. Und da ist noch eins, was Sie wissen müssen. Das sind die Sachen, die die Leute auf dem Leibe haben –«
»Ja –?« fragte Pagel.
»Die sind nämlich Staatseigentum! Und jeder Gefangene weiß, daß er wegen Unterschlagung belangt wird, wenn er nur ein Stück von den Sachen wegbringt. Da
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