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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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daß er das unvernünftige Kind, die Violet, die natürlich für alles Neue, und gar für so etwas Neues, begeistert war, in einer fast dumm-schlauen Art auf seine Seite gebracht und gegen sie aufgehetzt hatte und daß er dann schließlich, was nun wirklich dem Faß den Boden ausgeschlagen hatte, diesem fünfzehnjährigen Ding noch ein paar Liköre erlaubt hatte – er sagte, einen, sie sagte, zwei, aberbestimmt waren es vier oder fünf gewesen! –, nein, das ging doch nun selbst über das, was eine langjährige Ehefrau zu ertragen gelernt hatte!
    Sie hatte im Eßzimmer gesessen, der Abendbrottisch war gedeckt, der Diener wartete, die Mädchen in der Küche warteten. Es wurde spät, es wurde zu spät. Sie hatte nie gedacht, daß sie einmal so kleinbürgerlich dasitzen würde, Zorn im Herzen, und auf die Heimkunft ihres Mannes warten. So etwas war ihr immer als ein Gipfel des Lächerlichen, des Verächtlichen erschienen. Man ließ den Partner sein Leben leben, man legte ihn nicht an eine Kette!
    Und nun saß sie doch so da, sie machte eine Rechnung gegen ihn auf: dies und das und jenes. Dies für dich getan, das um deinetwillen entbehrt, jenes durch dich verloren – und du? Dieses »Und du?« wuchs und wuchs. »Und du?« wurde zu einer ungeheuren Wolke, die ihr ganzes Leben beschattete, einer drohenden Gewitterwolke, voller Unheil.
    Die beiden waren hereingekommen, mit der dümmlichen, unbefangenen Lustigkeit der Beschwipsten. Sie hatten Witzchen gemacht, sie hatten übereifrig Grüße bestellt. Oje, oje, Onkel Egon hatte den Korkenzieher nicht finden können und hatte der Flasche den Hals abgeschlagen! Oje! Oje! Wetterleuchten, murrender Donner aus der Ferne – wer warst du einst? Eine schlanke, schnelle Gestalt, keine großen Geistesgaben, gewiß nicht, aber ein Ritter ohne Furcht und Tadel …
    »Und einem Opel-Laubfrosch sind wir im Wald begegnet, Mama, und unser braver junger Herr Pagel saß darin, ich möchte schwören, mit einer jungen Dame! Sie hielt zwar die Hand vors Gesicht –.«
    Genug! Jawohl, genug und übergenug. Worte, Streit, Tränen des jungen Mädchens, das liebenwürdige schlechte Gewissen des Vaters verwandelt sich in ein tobendes schlechtes Gewissen …
    »Du gönnst mir bloß den Wagen nicht!«
    Und Weio heulend: »Jede Freude willst du uns nehmen!Nichts erlaubst du uns! Jetzt willst du auch den Papa tyrannisieren!«
    Vater und Tochter in einer Front gegen die Mutter, und hinter der Tür lauschend die Dienstboten. Das ist aus deiner Häuslichkeit geworden, Eva! Du bist doch einmal deinem Elternhaus entflohen, du hattest dir geschworen, den ersten Mann zu heiraten, der wirklich Formen hatte – du haßtest deines Vaters Formlosigkeit. Ja, sind wir denn alle wahnsinnig geworden? Sind wir denn alle krank? Ist denn diese Inflation ein Gift, das in der Luft herumfliegt? Das jedermann ansteckt?! Ist das deine Tochter, deine behütete, blutjunge Violet, dieses Mädchen mit rotfleckigem Gesicht, hemmungslosen Bewegungen, das abwechselnd heult und anklagend schreit? Ist das dein Mann, der vornehme, grade Kerl, sorgsam gepflegt, peinlich auf Sauberkeit bedacht, der jetzt polternd, schreiend mit den Händen herumfuchtelt: »Mich kriegst du nicht unter!«
    Ja, bist du das selbst noch? Die das alles mit ansieht, anhört, böse darauf antwortet, zornig schilt und die dabei an einen andern Mann denkt, die schon für den Ersatz gesorgt hat, ehe noch der erste gegangen ist –?
    Pfui Teufel, pfui Teufel über uns alle! Einer wie der andere – und sie geht, sie geht eilig die Treppe hinauf, sie kann gar nicht schnell genug in ihr Zimmer kommen. Sie läßt die beiden da unten, sie will allein sein. Die Fenster stehen offen, es ist angenehm kühl, frisch. Eine Spur der Zentralheizungswärme ist in der Luft, eine Spur ihrer Seifen und Parfüms dazu, grade genug, sie daran zu erinnern, daß sie bei sich zu Hause ist … Am liebsten würde sie baden, aber sie mag ihren Leib jetzt nicht sehen. Es ist soviel Leben durch ihn hindurchgegangen, er hat zuviel erlebt, zuviel genossen, als daß sie ihn heute abend gerne noch sähe. So schlüpft sie nur schnell aus den Kleidern, im Dunkeln findet sie in der äußersten Ecke ihres Nachttisches die Rolle Veronal, das ihr der Arzt gegen den irrsinnigen Schmerz ihrer Zahnwurzelvereiterung einmal gegeben … Sie nimmt eine Tablette, bei ihr wirkt schon das wenigste, sie lehnt sich zurück, sie wird schlafen …
    Und sie ist fast hinüber in den Schlaf, fast hat sie die Bilder

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