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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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dies vom Putsch und vom Leutnant.«
    »Du warst doch verreist, Papa!«
    »Kam er denn nicht schon früher?«
    »Aber nein, Papa! Erst die letzten Wochen.«
    »Dann ist er nicht der Mann gewesen, der mit dir und Hubert nachts über den Hof gegangen ist?«
    »Das war doch der Förster Kniebusch, Papa! Das habe ich euch schon hundertmal gesagt.«
    »Mama hat dir also unrecht getan –?«
    »Aber ja, Papa!«
    »Ich habe es der Mama immer gesagt!«
    Der Rittmeister versinkt wieder in Schweigen. Aber dieses Schweigen ist schon nicht mehr so düster wie das vorhergegangene. Der Herr von Prackwitz hat das Gefühl, die Angelegenheit schon sehr befriedigend aufgeklärt zu haben. Was ihm aber vor allem guttut, ist, daß er wieder einmal seiner Frau gegenüber recht behalten hat! Da er sich ihr unterlegen fühlt, und jetzt ganz besonders, muß er sich immer wieder beweisen, daß er ihr überlegen ist. Der einzige Gedanke, der ihn in seiner Zufriedenheit noch stört, ist, daß Violet den Warnungsbrief an den Leutnant hinter seinem Rücken hat abschicken wollen. Das beweist, daß sie entweder kein Vertrauen zu ihm hat oder daß sie doch in geheimnisvollen Beziehungen zu diesem Leutnant steht.
    Plötzlich überfällt ihn siedend heiß der Gedanke, daß Violet ihn doch belogen hat! Wie sie den Leutnant am Waffenlager gesehen hat, da haben die beiden so getan, als kennten sie einander nicht. Ja, der Leutnant ist direkt unhöflich gegen Violet geworden. Und doch hat ihm Weio einen Brief geschrieben! Sie haben ihn also täuschen wollen. Oder die beiden haben sich wirklich erst später kennengelernt – warum hat ihm dann Weio ihre Mahnung wegen des Försters nicht mündlich gesagt?
    Es ist für den Rittmeister ein reichlich schwieriger Fall, eine wahnsinnig komplizierte Geschichte, er muß sehr intensiv nachdenken, sehr schlau sein, um hinter diese Sache zu kommen.
    »Du, Weio?« fragt er mit unmutig gerunzelter Stirn.
    »Ja, Papa?« Sie ist die Bereitwilligkeit selbst.
    »Als wir den Leutnant bei dem Waffenlager trafen, kanntest du ihn da schon?«
    »Natürlich nicht, Papa, sonst wäre er doch nicht so zu mir gewesen!« Aber Violet spürt die Gefahr, sie ist nicht dafür, daß der Vater diesen Gedankengang zu sehr verfolgt. So geht sie zum Gegenangriff vor. »Hör mal, Papa«, sagt sie energisch. »Ich glaube, du denkst wie die Mama, ich habe Männergeschichten.«
    »I wo!« antwortet der Rittmeister hastig. Die Zauberworte »wie die Mama« haben sofort seine Abwehr ausgelöst. Nun denkt er nach und fragt dann argwöhnisch: »Was weißt du von Männergeschichten, Violet?«
    »Na, knutschen und so, Papa«, sagt Violet mit jenem mädchenhaften Trotz, der ihr grade richtig erscheint.
    »Knutschen ist ein widerliches Wort!« ruft der Rittmeister empört. »Von wem hörst du so was?«
    »Von den Mädchen, Papa. Das sagen doch alle!«
    »Unsere Mädchen auch? Armgard? Lotte?«
    »Sicher, Papa, alle sagen so. Aber ich kann es nicht beschwören, daß ich es grade von Armgard oder Lotte gehört habe.«
    »Ich schmeiße sie raus!« murmelt der Rittmeister bei sich. Dies ist nun eben seine Art, die unangenehmen Dinge des Daseins aus der Welt zu schaffen.
    Violet hat es nicht gehört. Sie ist sehr zufrieden mit dem Weg, den diese Vernehmung nimmt. Also lacht sie und erzählt: »Neulich habe ich gehört, Papa, wie ein Mädchen zum andern im Dorf gesagt hat: ›Bist du denn zum Tanzen oder zum Knutschen in den Krug gekommen?!‹ – Ich habe ja so lachen müssen, Papa!«
    »Daran ist gar nichts Lächerliches, Weio!« ruft der Rittmeister empört. »So was ist einfach ekelhaft! Ich wünsche, nichts Derartiges mehr zu hören, und ich wünsche auch nicht, daß du dir je etwas Derartiges anhörst! Knutschen ist ein ganz gemeines Wort!«
    »Ist es denn nicht dasselbe wie küssen, Papa?« fragt Violet sehr erstaunt.
    »Violet!!« brüllt der Rittmeister fast.
    Der Klang seines Zornschreis muß den Chauffeur durch die Glasscheibe hindurch erreicht haben: Er dreht sich um und macht ein fragendes Gesicht. Herr von Prackwitz zeigt ihm mit zorniger Gebärde, daß er weiterfahren soll, daß ihn die Sache nichts angeht. Der Chauffeur versteht nicht, er zieht die Bremsen, hält, öffnet die Glasscheibe und fragt: »Wie bitte? Ich hatte nicht ganz verstanden, Herr Rittmeister.«
    »Weiterfahren sollen Sie, Mensch!« ruft der Rittmeister ärgerlich. »Immer weiterfahren.«
    »Jawohl, Herr Rittmeister«, antwortet der Chauffeur höflich. »In zwanzig Minuten werden

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