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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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und reize er sie! Einen Brief habe er ihr unterschlagen …
    Unbewegt, fischig bot der Diener Räder dem Rittmeister die Platte mit den Spiegeleiern an. Der Rittmeister, der nach einer sehr schlecht verbrachten Nacht schon recht verdrossen heruntergekommen war, erzürnte sich sofort. Mit der Gabel schlug er heftig gegen den Rand der Eierpfanne und schrie seine Tochter an, was denn das für ein Brief sei?! Was sie in aller Welt denn für Briefe zu schreiben habe, etwa gar an den Herrn Diener?!
    Er fuhr herum und funkelte den Diener drohend an. Der Diener servierte weiter.
    Violet gab eine fliegende, unzusammenhängende Erklärung. Sie habe das Waffenlager durch die Geschwätzigkeit des Försters bedroht geglaubt. Sie habe dem Leutnant ein paar warnende Zeilen durch den Diener Räder schicken wollen. Und dieser Kerl habe den Brief unterschlagen, er verweigere die Rückgabe …
    Der Rittmeister stand entflammt. Er schrie den Diener an: »Sie haben einen militärischen Brief meiner Tochter unterschlagen! Sie haben das Waffenlager in der Hand –!«
    Hubert setzte die Platte mit den Spiegeleiern aus der Hand auf die Anrichte. Er sah den Rittmeister kalt an: Nichts reizt den Zorn mehr als die Gelassenheit des andern. Er sagte: »Verzeihen, Herr Rittmeister, aber es sind ungesetzliche Waffenlager …«
    Der Rittmeister faßte seinen Diener an den Aufschlägen des dunkelgrauen Rockes und schüttelte ihn. Hubert ließ sich widerstandslos schütteln. Der Rittmeister schrie, aber Hubert schrie nicht dagegen. (Wenn das Mädchen Armgard später behauptete, der Diener habe dem Rittmeister gedroht, so war das eine Lüge. Aber Armgard hatte den hochnäsigen Räder ja nie ausstehen können.)
    Der Rittmeister schrie: »Verräter gehören an die Wand!« Im Augenblick darauf sagte er: »Wenn Sie den Brief aushändigen, soll dies verziehen und vergessen sein.«
    Violet rief: »Wirf ihn doch raus, Papa!«
    Der Rittmeister ließ den Diener los und sagte finster: »Haben Sie noch etwas zu Ihrer Rechtfertigung zu sagen? Sonst sind Sie auf der Stelle entlassen!«
    Violet erzitterte. Sie wußte: Hubert brauchte nur den Mund aufzutun, er brauchte dem Vater nur einiges zu erzählen, und sie war verloren. Aber sie hatte es gewagt, aus einem Gefühl heraus, daß Hubert nicht reden würde, daß er gar kein Interesse daran hatte, dem Vater ihre Geheimnisse zu erzählen.
    Und sie behielt recht.
    Hubert sagte nur: »Ich bin also auf der Stelle entlassen.«
    Er sah sich noch einmal im Speisezimmer um. Er legte seine Serviette, die er während des ganzen Streites unter dem Arm gehalten hatte, auf die Anrichte. Er entdeckte die Spiegeleier. Kühl fragte er: »Darf ich die Eier noch einmal warm setzen lassen?«
    Er bekam keine Antwort.
    Er ging zu der Tür, er machte eine kleine Verbeugung, er sagte unerschütterlich: »Wünsche noch angenehme Fahrt, Herr Rittmeister!«
    Er ging. Ohne einen Blick auf Violet.
    Der Rittmeister aß gedankenvoll weiter. Zorn verschlug ihm nicht den Appetit, er förderte ihn. Gedankenvoll sah er seine Tochter an. Dann trank er zwei Kognaks und stieg in den Wagen. Er sagte nur: »Also nach Ostade, Finger« – und schwieg weiter.
    Es war nach der Veranlagung des Rittmeisters unvermeidlich, daß nach der Periode des Handelns die Periode des Nachdenkens über seine Handlungen kam. Der Rittmeister hatte seinen Diener hinausgeworfen, er fing jetzt an, darüber nachzudenken, warum er ihn eigentlich hinausgeworfen hatte. Es war gar nicht so leicht, Klarheit in diese Sache zu bekommen. Vieles schien hinterher ziemlich unverständlich zu sein, was ihm in seinem Zorn verständlich erschienen war. War dieser Kerl einfach frech geworden? Natürlich war er frech geworden, der Rittmeister entsann sich dessen genau. Aber wieso war er frech geworden? Was hatte er eigentlich gesagt –?
    Violet saß schweigend neben ihrem Vater. Sie hütete sich, sein Nachdenken jetzt mit einer jener jungmädchenhaften Dalbereien zu unterbrechen, die sie sonst für ihn bereithielt und die ihn stets in die beste Laune versetzten. Ein Kind kennt die Fehler seiner Eltern besser als die Eltern die Fehler ihrer Kinder. Ein Kind sieht erbarmungslos scharf, nicht Liebe, nicht Sympathie bestechen sein Auge auf den ersten Entdeckungsreisen in die neue Welt. Violet sah, ihr Vater dachte über sie nach. Jedes ablenkende Wort würde ihn jetztnur argwöhnisch machen. Sie mußte warten, bis er anfing zu sprechen, zu fragen. Der Papa gehörte zu den Leuten, die von einer

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