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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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benachrichtigt worden. Dies wurde vergessen. Nicht vergessen wurde die Verabredung zwischen Vater und Tochter, nicht vergessen wurde das Leisesein. Weio war am zeitigsten aufgewesen, wie eine Katze war sie leichtfüßig die Treppe hinabgeschlichen.
    Im Speisezimmer hatte sie den Diener Räder beim Anrichten des Frühstückstisches getroffen. Was war natürlicher, als daß sie ihn endlich zur Rede stellte?! Sie war ihm lange Zeit aus dem Wege gegangen, er war ihr so unheimlich geworden. Sie war froh gewesen, wenn sie kein Wort mit ihm reden mußte, sie hatte nie mehr vergessen, die Tür ihres Zimmers abzuschließen, tags wie nachts. Ihre Liebesgeschichte mit dem Leutnant war so aussichtslos gewesen, selbst sie mußte sich eingestehen, daß er sie aufgegeben hatte. Nicht ihretwegen, aber die Sache mit dem Brief, den der kleine Meier aufgefangen hatte, hatte ihn so verärgert!
    Doch nun war alles anders geworden, sie fuhr mit dem Vater nach Ostade, heute vormittag noch würde sie ihren Fritz wiedersehen! Er stand vor großen Ereignissen, seine Sache würde siegen. Morgen schon würde er kein heimlicher Verschwörer mehr sein, der sich vor jedermann verstecken mußte. Morgen würde er ein großer Mann sein, der Vater hatte es auch gesagt, ein Held, der sich offen zu seiner Liebe, zu ihr bekennen konnte! Dann durfte es keine Heimlichkeitenmehr geben, nichts, was sie ihm verbergen mußte – dann durfte es auch keinen Diener Räder mehr geben, der etwas von ihr wußte!
    Sie verlangte ihren Brief zurück.
    Er wußte von keinem Brief.
    Sie sagte, sofort erregt, er solle nicht so gemein sein!
    Er antwortete, er sei eben nur ein gemeiner Diener, kein feiner Leutnant.
    Sie erklärte, sie fahre nach Ostade zu ihm, und sie würde ihn herschicken, er würde was erleben –!
    Der Diener Räder sah sie bloß an, mit seinen trüben, toten Augen, sie erschauerte. Zu spät sah sie ein, daß sie es falsch angefangen hatte. Zu spät fing sie an zu betteln, sie machte ihm Angebote, sie versprach ihm Geld, ja, sie versprach ihm sogar die Stelle des alten Elias auf dem Schloß. Sie würde es bei den Großeltern durchsetzen!
    Er lächelte bloß.
    Sie dachte lange nach, sie war blaß geworden, sie mußte den Brief zurückhaben. Sie wußte, ein zweites Mal würde ihr Fritz solchen Leichtsinn nicht verzeihen. Mit halblauter Stimme, stockend, versprach sie, ihm noch einmal das zu erlauben, was er damals … er wisse es schon … auf ihrem Zimmer … Sie gab ihm ihr Ehrenwort, aber den Brief müsse er ihr sofort aushändigen …
    Sie kam weiter als ihre Mutter. Sie sah ihn schwankend werden. Die Erinnerung an jene dunkle Stunde, an den höchsten Genuß seines Lebens stieg in seine dürren Wangen und zirkelte kreisrunde rote Flecken auf den Backenknochen ab. Er schluckte.
    Dann besann er sich. Er hatte lange nachgedacht, Wochen und Wochen. Er hatte einen bestimmten Plan, in dem dieser Brief eine bestimmte Rolle spielen sollte. Violet genügte nicht, Violet allein war gar nichts, bloß ein Weib, ein bißchen ansehnlicher als die Armgard – nein, der Leutnant gehörte dazu. Die Schmerzen um den Leutnant gehörten dazu, ihre Liebe zu diesem Burschen, ihr Ekel vor ihm, dem Diener.
    Er fragte: »Gnädiges Fräulein fahren heute nach Ostade?«
    Sie war schon siegessicher. »Sie hören es doch, Hubert! Gleich geht es los. Holen Sie den Brief nur schnell – ehe Papa runterkommt!«
    »Wenn gnädiges Fräulein heute nicht nach Ostade fahren und mir heute abend erlauben, was Sie mir versprochen haben, dann will ich heute abend den Brief hergeben.«
    Sie hätte ihm beinahe ins Gesicht gelacht. Seinetwegen auf eine Fahrt nach Ostade zum Leutnant verzichten! Er war ja ein Idiot! Dann übermannte sie der Zorn: »Wenn Sie mir nicht gleich den Brief geben, erzähle ich alles Papa, und dann fliegen Sie raus und kriegen nie wieder eine Stellung im Leben –!«
    »Wie gnädiges Fräulein wünschen«, sagte er ganz unerschüttert.
    Dann war der Rittmeister dazugekommen. Seinem Diener hätte er nie etwas angemerkt, der war leblos wie ein Stock Holz, ganz wie immer. Aber Violet kochte. Keine drei Minuten, so kochte sie über. Vielleicht hatte Räder das sogar gewollt. Mit unbewegtem Gesicht hatte er dem gnädigen Fräulein Schmalz gereicht, wenn sie die Butter wünschte, und Zucker statt Salz. In Tränen ausbrechend, hatte Violet gerufen, sie halte es nicht mehr aus, wenn ihr Vater diesen elenden Kerl nicht auf der Stelle rausschmeiße! Seit Tagen und Wochen peinige

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