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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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gesagt, wir fahren gleich weiter, Papa!«
    »Kümmere dich bitte um deine Angelegenheiten!« sagte der Rittmeister gereizt. »Im übrigen ist Alkohol am Vormittag nichts für junge Mädchen.«
    Er verstummte. Violet blieb auch stumm. Eine lange Weile starrten beide auf den Marktplatz. Aber nichts geschah. Schließlich blieb dem Rittmeister nichts anderes übrig, als sich ein drittes Glas Portwein zu bestellen. Er fragte den Kellner sehr ärgerlich, wo denn eigentlich die Herren Offiziere blieben?!
    Der Kellner bedauerte außerordentlich, er konnte es sich auch nicht erklären!
    Trostlos, immer gereizter starrten die beiden aus dem Fenster. Die Zivilisten hatten sich die Zeitschriften längst wiedererobert, nur den »Kladderadatsch« hielt der Rittmeister noch in der Hand. Von Zeit zu Zeit warf er einen Blick hinein, aber er fand die Witze albern: Diese Situation war wirklich nicht zum Witzemachen! Was in aller Welt sollte er hier den ganzen Tag in diesem langweiligen Ostade anfangen, wenn sich die Offiziere nicht sehen ließen! Das Mittagessen zu Haus war nun schon abbestellt, außerdem hatte er nicht die geringste Lust, jetzt schon nach Haus zu fahren! Er hörte am Abend früh genug, was seine Frau zu der Entlassung Huberts zu sagen hatte –! Am liebsten wäre er mal zu einer der beiden Kasernen gefahren und hätte sich erkundigt. Aber er hat ja leider gerade eben Violet gesagt, daß er nicht daran denkt, weiterzufahren!
    Eine Bewegung seiner Tochter läßt ihn aufmerken. Sie starrt so vergessen, so hingegeben nach der Tür des Gastzimmers, daß der Rittmeister all seine guten Formen vergißt, sich auf dem Stuhle umdreht und auch starrt.
    In der Tür steht ein junger Mann in grauen Knickerbockern und gelbgrüner Windjacke. Er sieht musternd in das Lokal, dann nach dem Büfett zum Kellner. Der Mann sieht so verändert aus in seinem Räuberzivil, daß der Rittmeister eine ganze Weile braucht, bis er ihn wiedererkennt. Dann springt er aber hoch, eilt auf den jungen Mann zu und begrüßt ihn in seiner Freude über diese Abwechslung sehr eifrig: »Guten Morgen, Herr Leutnant, Sie sehen, ich bin schon heute zur Stelle …«
    Der junge Mann ruft scharf zu dem Kellner hinüber: »Ober, zwanzig Zigaretten!«
    Er sieht den Rittmeister kühl an und entschließt sich dann, sehr zurückhaltend »Guten Morgen« zu sagen.
    »Aber Sie erinnern sich doch!« ruft der Rittmeister, sehr erstaunt über diesen Empfang. »Rittmeister von Prackwitz. Wir trafen uns gestern im D-Zug. Der Herr Major«, er flüstert den Namen nur, »Rückert. Sie … Ich …« Lauter: »Ich habe den Wagen schon gekauft. Ein ziemlich guter Wagen. Horch. Sicher haben Sie ihn vor der Tür stehen sehen …«
    »Ja, ja«, flüstert der Leutnant zerstreut. Der Kellner ist herangetreten, der Leutnant nimmt seine Zigaretten in Empfang, gibt einen Schein, dankt für das Wechselgeld und fragt: »Die Herren noch nicht da?«
    Der Kellner sagt seine zwei Sätze: »Sie müßten längst hier sein, ich verstehe es auch nicht.«
    »So«, sagt der Leutnant bloß, aber selbst der Rittmeister spürt, daß dies für den andern keine gute Nachricht ist.
    Der Kellner ist gegangen, die beiden Herren sehen sich einen Augenblick schweigend an.
    Der Leutnant entschließt sich: »Entschuldigen Sie mich bitte, ich bin sehr beschäftigt …«
    Er sagt es ganz gedankenlos, er geht nun nicht etwa, erbleibt stehen und sieht den Rittmeister an, als erwarte er etwas von ihm.
    Der Rittmeister ist sehr gekränkt, daß seine Nachricht von dem Autokauf so wenig Eindruck gemacht hat. Trotzdem will er den Leutnant nicht gehen lassen. Der ist jetzt der einzige Mensch, mit dem er reden, von dem er etwas erfahren, dem er etwas erzählen kann. Er sagt: »Wenn Sie einen Augenblick an meinem Tisch Platz nehmen wollten, Herr Leutnant? Ich hätte Ihnen etwas zu sagen …«
    Der Leutnant ist sichtlich tief in Gedanken. Er bewegt die Hand, er sagt abwehrend: »Ich bin wirklich sehr beschäftigt.«
    Aber als der Rittmeister eine einladende Bewegung mit der Hand macht, geht er mit ihm zu dem Tisch. Kein Auge hat die ganze Zeit Violet von ihm gelassen.
    »Meine Tochter kennen Sie ja wohl, Herr …« Der Rittmeister lacht verlegen. »Nun habe ich doch Ihren Namen vergessen, Herr Leutnant!«
    Der Leutnant ist unter Violets Blick etwas wacher geworden. Sie sieht ihn so flehend, so liebevoll an, daß sofort stärkste Abwehr sich in ihm regt. Sie hat wahrhaftig noch immer nicht verstanden, daß sie für mich erledigt

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