Wolf unter Wölfen
ist! Bei der muß man auch erst grob werden!
»Meier«, stellt er sich vor. »Meier! Meier ist ein sehr angenehmer, ein sehr brauchbarer Name, nicht wahr?«
Er sieht ihren Blick, diesen Blick, der um Gnade und Verzeihung förmlich bettelt.
Noch schärfer sagt er: »Nein, ich glaube nicht, daß ich das gnädige Fräulein kenne. Oder doch –?«
»Doch – in Neulohe …«, flüstert Violet, zusammenschreckend unter diesem grausamen Blick und Wort.
»In Neulohe? Ach so! Haben wir uns da schon gesehen? Verzeihung, gnädiges Fräulein, ich wenigstens erinnere mich nicht mehr.«
Und zum Rittmeister, der ganz verständnislos diese rätselhafte Szene anstarrt, denn das spürt er ja doch, daß seineTochter im Innersten erschüttert, aufgeregt, verzweifelt ist: »Nein, für mich bitte nichts zu bestellen. Ich muß sofort weiter. Sie hatten mir etwas zu sagen, Herr Rittmeister?«
»Ich weiß doch nicht …«, zögerte der Rittmeister.
Mit einem weißen, sehr stillen Gesicht saß seine Violet am Tisch.
Der Leutnant schlug ein Bein über das andere, er trug eine infame, gelangweilte Miene zur Schau, als wüßte er schon, was nun kommen würde. Jetzt brannte er sich eine Zigarette an und sagte überlegen: »Wenn Sie es nicht wissen, Herr – Herr – der Name, entschuldigen Sie, ist mir entfallen« (rachsüchtiger Blick zu Violet), »wenn Sie es nicht wissen, bitte ich gehen zu dürfen. Ich bin, wie gesagt, sehr beschäftigt.«
Und blieb herausfordernd sitzen. Es fehlte nicht viel, und er hätte dem Rittmeister und seiner Tochter ins Gesicht gegähnt.
Der Rittmeister bezwang sich. Fern seinem Heim, konnte er sich bezwingen. Er sagte: »Kurz und gut: Meine Tochter hat Ihnen einen Brief« – kurzes Stocken – »in Ihrer Sache geschrieben, der in falsche Hände geraten ist.«
Es kam alles genau wie erwartet. Der Leutnant stieß seine Zigarette in die Aschenschale, flehend spürte er den Blick des Mädchens auf sich. Von dem verglühenden Tabak hob er das Auge zum Rittmeister. Er sah ihn an, er sagte: »Ich stehe Ihnen natürlich zur Verfügung, Herr Rittmeister. Ich bestreite nichts. Nur«, sagte er rascher, »wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie bis zum Schluß der morgigen Aktion warten würden. Meine Freunde werden sich direkt hinterher bei Ihnen melden.«
Der Rittmeister war ein sehr alter Mann, hohle Schläfen, weißes Haar, verfallenes Gesicht. Er sagte mit fast unverständlicher Stimme: »Ich – verstehe – doch – richtig –?«
»Papa –! Fritz!« rief das Mädchen beschwörend.
»Sie verstehen vollkommen richtig«, belehrte ihn der Leutnant mit seiner überlegenen, unverschämt klingenden Stimme.
»Fritz, ach, Fritz! Ach, Papa …«, murmelte das Mädchen, die Augen voller Tränen.
Der Rittmeister saß wie gelähmt. Mit den Fingern hielt er den Fuß des Portweinglases, er drehte es, er schien die Farbe des Weins zu prüfen. Aber auf der Zunge schmeckte er nicht den Wein, Bitternis schmeckte er, Asche … Bitternis und Asche eines ganzes Lebens …
»Fritz, ach, Fritz …«, erreichte die klagende Stimme der Violet sein Ohr.
Mit einer raschen Bewegung schwenkte er den Rest seines Portweinglases in das freche, überlegene Gesicht des jungen Kerls. Mit tiefer Freude sah Joachim von Prackwitz dieses Gesicht fahl werden, das feste Kinn zitterte …
»Habe ich Sie jetzt recht verstanden, Herr Leutnant …?!« fragte er rachsüchtig.
Violet schrie auf, aber nur leise. Der Leutnant war jung genug, ehe er den Wein aus dem Gesicht wischte, einen angstvollen Blick in das Lokal zu werfen: Die Zivilisten saßen hinter ihren Zeitungen. Aber der Kellner am Büfett fuhr erschrocken zusammen und fing an, mit verlegener Hast das Zinkblech zu reiben.
»Dies war überflüssig«, flüsterte der Leutnant voll Haß und stand auf. »Im übrigen habe ich Ihr Fräulein Tochter nie ausstehen können.«
Der Rittmeister stöhnte. Er wollte hoch, er wollte hineinschlagen in dieses brutale, hassenswerte Gesicht, aber seine Beine zitterten, alles drehte sich, er hielt sich am Tisch. In den Ohren brauste das Blut wie Brandung – ferne nur hörte er seine Tochter sprechen.
Hat sie denn gar keinen Stolz? dachte er verwundert. Daß sie noch mit ihm sprechen mag!
Er verstand nicht mehr, was sie sagte.
»Ach, Fritz«, rief Violet klagend, »warum hast du das nur getan?! Nun ist alles kaputt! Papa wußte doch gar nichts …«
Er sah sie mit seinen hellen, bösen Augen an, ohne ein Wort, voller Verachtung und Ekel.
Sie kam um den
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