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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Frage mühelos auf die andere geraten und darüber ihr ursprüngliches Ziel völlig aus den Augen verlieren.
    Zudem hatte Violet noch etwas anderes getan; sie war auf den Gedanken gekommen, als sie ihren Vater die beiden Kognaks trinken sah. Sie hatte am Nachmittag vorher beim Onkel eine ganze Menge Likör getrunken, sie wußte nicht einmal, wieviel, auch der Vater hatte keine Ahnung davon gehabt. Dieser Likör hatte ihr gutgetan, er hatte ihr Mut gemacht, der Mutter zu trotzen, was sie sonst nie gewagt haben würde. Er hatte sie mit Kampfgeist und guter Laune erfüllt. – Als der Vater vom Frühstückstisch ging, seinen Mantel anzuziehen, hatte sie sich schnell, mit vorsichtigem Umblicken nach der Tür, in das Glas ihres Vater auch einen Kognak geschenkt. Sie hatte das Glas randvoll gegossen, dann hatte sie es ohne abzusetzen ausgetrunken. Und fast ohne nachzudenken hatte sie wie der Vater ein zweites Glas dem ersten folgen lassen.
    Nun saß sie behaglich in eine Ecke des Wagens geschmiegt. Sie war warm zugedeckt, langsam glitt an den Fenstern die Landschaft vorüber: endlose Felderbreiten, verlassen oder mit den wenigen, in der Weite verlorenen Pflügergespannen; Kartoffelschläge, hügelan, in den Himmel hinein, mit dem nassen, unansehnlich gewordenen, fast abgewelkten Kraut; die langen Ketten der Kartoffelbuddler, die, auf den Knien rutschend, die dreizinkige Hacke in der Hand, einen Augenblick den Kopf hoben und dem vorübereilenden Wagen nachsahen. Schließlich die fast endlosen Waldungen, in denen die Bäume oft so eng an den Weg traten, daß ein Zweig klatschend die Scheiben des Wagens streifte. Man schreckte zurück, lachte über den eigenen Schreck und sah die Scheibe betaut mit vielen kleinen Wassertropfen, die der Zweig auf ihr zurückgelassen hatte, die der Fahrtwind so rasch trocknete.
    Die Landwege, diese vom Regen aufgeweichten, von den Kartoffelfuhren zerfahrenen Nebenstraßen, auf denen manvon Neulohe Ostade erreichte, waren schlecht, der starke Wagen konnte seine Schnelligkeit nicht beweisen. Mit einem Tempo, das kaum an dreißig Stundenkilometer heranreichte, führte ihn der Chauffeur Finger achtsam über die Schlaglöcher und durch die Pfützen ländlicher Straßenbaukunst. Aber trotz dieses langsamen Tempos erzeugte das tiefe Brummen des Motors, das elastische Abfedern des Wagens, das mühelose Gleiten ein Gefühl wohliger, ruhiger Kraft in Violet. Es war, als übertrage der Motor einen Teil seiner ungenützten Stärke auf sie, in sie. Noch erhöht wurde dieses Gefühl durch den Alkohol, der sich langsam in dem ruhigen Körper auszubreiten schien, zuerst als Wärme, dann in der Gestalt vieler Bilder, die, kaum angedeutet, schon wieder vergingen und doch etwas wie Fröhlichkeit in ihr zurückließen.
    Der junge Körper hatte das Gift gierig in sich eingetrunken. Geschmack und Gaumen hatten sich gewehrt gegen den Geruch des Alkohols, beim hastigen Hinuntertrinken hatte sie sich am ganzen Leibe geschüttelt – aber was der Zunge nicht gemundet hatte, das hatte einer anderen Instanz in ihr um so mehr zugesagt, sei es nun ihrem Hirn, sei es einem noch geheimnisvolleren Zentrum, das oft gegen unsern Willen entscheidet, was wir zu hassen, was wir zu lieben haben. Weio wäre jetzt gerne stumm an der Seite ihres Vaters weiter bis Ostade, bis zu »ihm« gefahren, wenn sie auch die kommende Auseinandersetzung nicht mehr fürchtete. So wie sie jetzt dahinfuhr, war sie vollkommen glücklich: sie ruhte in sich!
    Schließlich war es dann natürlich soweit; grade in einem Moment, da Violet besonders angenehmen Gedanken über die Wiedervereinigung mit ihrem Leutnant nachhing, hob der Rittmeister den Kopf und fragte ziemlich mißmutig: »Wieso kennst du eigentlich diesen Leutnant?«
    »Aber, Papa«, rief Violet vorwurfsvoll, »den kennen doch alle!«
    »Alle? Ich kenne ihn nicht!« widersprach der Rittmeister recht gereizt.
    »Aber, Papa, du hast ihn mir doch gestern erst so gelobt!«
    »Na ja!« Der Rittmeister war etwas betroffen. »Aber ich kenne ihn nicht – was
wir
kennen nennen. Er ist mir nicht einmal vorgestellt. Ich weiß auch seinen Namen nicht …«
    »Ich auch nicht, Papa!«
    »Was? Unsinn! Schwindle nicht, Violet!«
    »Aber wenn ich es dir sage, Papa! Mein Ehrenwort! Im ganzen Dorf heißt er nur der Leutnant Fritz, Papa. Das hat dir doch auch der Förster gesagt.«
    »Mir hast du nichts davon gesagt! Du hast kein Vertrauen zu mir, Violet!«
    »Aber ja, Papa! Ich sage dir doch alles!«
    »Nicht

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