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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Bett, erschöpft, in einem unruhigen Halbschlaf. Das Veronal hat er bekommen, aber sofort wieder erbrochen.
    Herr Finger sagt zögernd: »Ich müßte meinen Wagen aus dem Regen fahren. Es ist ein ganz neuer Wagen, es ist schade um ihn.«
    »Ihre Firma wird das Geld schon kriegen«, sagt Pagel.
    »Es ist überhaupt schade um den Wagen!« meint der Chauffeur ärgerlich. »Wie der eingesaut ist! – Und ich habe den ganzen Tag auch nichts Rechtes zu essen gekriegt, immer draußen in der Nässe und Kälte …«
    »Ich werde mit der gnädigen Frau sprechen«, sagt Pagel bereitwillig. »Bleiben Sie bitte solange bei Herrn Rittmeister.«
    Er spricht mit Frau von Prackwitz. Dann läßt er den Chauffeur, die Frauen, auch Lotte aus dem Haus. Alle haben es eilig, aus der Villa fortzugehen, die vom Unheil heimgesucht ist.
    Wolfgang Pagel selbst kehrt auf seinen Wachtposten bei dem Rittmeister von Prackwitz zurück. Der Mann ist sehr krank, das ist nicht schwer zu sehen, aber nicht nur sein Körper ist krank, vergiftet vom Alkohol, noch kränker ist seine Seele. Das Selbstbewußtsein des Mannes ist tödlich verletzt worden. Er windet sich qualvoll unter den düsteren Gedanken, die ihn heimsuchen.
    Alle seine Fehler fallen ihm ein – dann möchte er die Augen schließen.
    Aber das hilft nichts. Er setzt sich auf im Bett, er starrt den jungen Mann im Sessel am Bettrand an; er möchte wissen, ob der auch weiß, ob alle wissen, wie jämmerlich, wie klein, wie hohl er ist, war, sein wird …
    Aber alles verwirrt ihn, es ist eine Jagd, die Lampe brennt so trüb, es sind Bilder, Schatten von Bildern … Warum ist die Nacht so still –? Warum atmet er allein, leidet er allein –!?
    »Wo ist meine Frau? Wo ist Weio?! Kümmert sich denn keiner um mich? Soll ich denn ganz allein und verlassen sterben? O Gott!«
    »Es ist tiefe Nacht, Herr Rittmeister. Die gnädige Frau und das gnädige Fräulein schlafen. Versuchen Sie auch ein bißchen zu ruhen.«
    Der Kranke legt sich zurück im Bett, er scheint nachzudenken, beruhigt durch die Auskunft. Dann setzt er sich wieder auf, er fragt, mit einem listigen Ton in der Stimme: »Nicht wahr, Sie sind doch der junge Pagel?«
    »Jawohl, Herr Rittmeister.«
    »Und Sie sind doch mein Angestellter?«
    »Jawohl, Herr Rittmeister.«
    »Und Sie haben zu tun, was ich Ihnen befehle?«
    »Jawohl, Herr Rittmeister.«
    »Dann –«, er macht nun doch eine Pause, aber dann sagt er erst recht herrisch: »Dann holen Sie mir sofort eine Flasche Kognak herauf.«
    Jawohl, Pagel, Wolfgang, hier hilft keine Liebenswürdigkeit, nicht Nachgeben, noch Fortsehen – der Rittmeister sieht dich gespannt, fast haßerfüllt an. Er will seinen Kognak haben, und wenn du nicht hart bist, wird er ihn bekommen!
    »Sie sind krank, Herr Rittmeister, Sie müssen erst schlafen. Morgen früh sollen Sie Kognak haben.«
    »Ich will ihn
jetzt
haben. Ich befehle es Ihnen!«
    »Es ist nicht möglich, Herr Rittmeister. Die gnädige Frau hat es verboten.«
    »Meine Frau hat mir gar nichts zu verbieten! Holen Sie jetzt den Kognak, oder –!«
    Die beiden sehen einander an.
    Ah, wie die Welt nackt geworden ist, wie der Flitter der Redensarten abfiel, der holde Dunst der Phrasen sich verflüchtigte! Hinein in das Familienleben, die Schminke ist abgewischt, und der hohle Totenkopf des Egoismus grinst dich mit seinen schwarzen Augenhöhlen an. Wie ein Gespenst sieht Pagel sich plötzlich neben Peter im Zimmer der Pottmadamm liegen, die Vorhänge hängen in der stickigen Luft gelblichgrau. Wie ein Symbol scheint ihm das jetzt, nein, wie die Vorstufe einer schwereren Probe. Damals noch hatte er sein Köfferchen nehmen und sich feige drücken können, hier gab es das nicht mehr! Vorbei die holde Lüge, die uns so gut schmeckt, vorübergeweht die zärtliche Gestalt der Liebe – Mensch gegen Mensch, Wolf unter Wölfen, mußt du dich entscheiden, wenn du dich vor dir selbst behaupten willst –!
    »Nein, Herr Rittmeister. Es tut mir leid, aber …«
    »Dann hole ich mir meinen Kognak alleine! Sie sind entlassen!«
    Mit einem Satz ist der Rittmeister aus dem Bett. Nie hätte Wolf gedacht, daß der kranke Mann, dessen Glieder sie eben noch zu zweien nur mit Mühe aus der Wanne gehoben haben, solche Beweglichkeit, solche Kraft entwickeln könnte.
    »Herr Rittmeister!« bittet Wolf.
    »Sie werden es doch nicht wagen, Ihren Arbeitgeber anzurühren, wie?!« schreit der Rittmeister mit verzerrtem Gesicht und läuft im Pyjama gegen die Tür.
    Es ist der

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