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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Erdhaufen, Kistendeckel – wahrhaftig, jetzt trifft der Schein der Lampe sogar eine liegengelassene Schaufel! Ich hatte alles so gut und sauber versteckt, denkt der Leutnant. Und diese Schweine machen mir alles so unordentlich! Bei mir war nichts zu sehen – und wie sieht es jetzt aus!
    Tieftraurig setzt sich der Leutnant auf einen Erdhaufen, mit den Beinen baumelt er in einer Grube. Ein Sterbender kann eigentlich nicht passender sitzen – aber daran denkt er jetzt nicht. Er stellt die Flasche neben sich in die weiche Erde, er greift in die Hosentasche, er zieht den Revolver hervor.Mit der einen Hand leuchtet er ihn an, mit der andern hält er ihn ins Licht und befingert ihn. Jawohl, er hat es sich gleich gedacht: Es ist so ein Dreckdings, Fabrikschund, Massenware – ein Knalldings, um Hunde wegzuscheuchen, gut dafür, daß sich Portokassenjünglinge damit umbringen – aber doch nichts für ihn, für einen Mann, der Waffen liebt! Ach, seine schöne, präzis gearbeitete Pistole, ein Ding, sauber wie ein Flugzeugmotor – der Dicke schlug ihn gegen den Bauch und stahl ihm das herrliche Ding!
    Trostlos starrt der Leutnant vor sich hin – und als er nun gar entdeckt, daß nur die sechs Patronen in der Trommel stecken, daß dieser Schurke Räder ihm keine Munition gegeben hat – und er hat es ihm doch extra aufgetragen!
    Er flüstert vor sich hin: »Ich muß den Revolver doch einschießen, er ist doch noch neu, er ist doch noch gar nicht beschossen! Ich habe ihn doch erst einschießen wollen, so weiß ich ja gar nicht, ob er zu hoch oder zu tief schießt …«
    Eine Stimme möchte ihm einreden, daß es für einen auf der Schläfe aufgesetzten Schuß ganz gleichgültig ist, ob der Revolver zu tief schießt, aber er beharrt darauf: Ich habe mich doch gefreut auf das Einschießen, ein bißchen Freude muß man dem Menschen doch auch gönnen!
    Der Kummer überwältigt ihn, fast hätte er geweint. »Man kann doch auch sechsmal vorbeischießen«, flüstert er, »so etwas ist schon vorgekommen – und was mache ich dann?«
    Da sitzt er, bleich, mit hängender Unterlippe, seine Augen irren überall umher. Sein Gesicht ist entstellt, nicht einmal so sehr von den Schlägen als von einem Ausdruck verzweifelter Angst. Er weiß, daß er mit sich theatert, daß er das Letzte nur immer wieder hinausschieben will. Aber er will es nicht wissen, er denkt gar nicht mehr an dieses Letzte, o nein, es ist noch so vieles vorzubereiten, zu bedenken. Er erinnert sich genau, er hat schon so lange nicht mehr an diese Violet gedacht; Haß, Ekel vor diesem Frauenzimmer haben ihn erfüllt – er möchte das noch einmal fühlen.
    Aber in seiner Brust scheint nur noch Platz zu sein fürdiese elende Unruhe, ein weiches, verdammtes Gefühl –: Oh, so schwach, ich bin doch kein gottverdammter Negermeier! Nein, ich schwöre, ich will mich nicht bessern, ich will mich nicht ändern! Ich war grade so richtig, wie ich war, mit Zähnen zum Beißen, Wolf unter Wölfen –!
    Der Leutnant tut einen tiefen Schluck aus der Flasche. Sie gluckert beim Trinken, sie gluckert beim Hinsetzen – aber, verdammt noch mal, es war nicht das einzige Geräusch, das er gehört hat! Der Leutnant springt mit einem Satz hoch, den Revolver in der einen, die Taschenlampe in der andern Hand, schreit er wild in den Wald hinein: »Wer ist da? Steh – oder ich schieße!«
    Er lauscht, er hört nichts – aber nun schleicht es! Dort –? Wo –? Dort im Gebüsch? »Steh oder ich schieße!« Oh, ich habe es ja gehört, wie das Motorengeräusch im Walde plötzlich alle war, dies Schwein, der Räder, hat halten lassen. Er ist mir nachgeschlichen, er will sehen, ob ich mich für sein Geld auch erschieße! Dort – dort, jetzt habe ich es gehört! »Steh!« Da – es knallt!
    Siehe da, dies Pistölchen schießt nicht schlecht, es pufft – hast du Angst? Haben wir dich gekitzelt?! Ach, du läufst, warte, ich laufe dir nach, steh! Knall, Bruch! – Was ist das? Auch in meinem Rücken läuft es, kommt da noch wer? Wer bist du denn? Zeigt sich auch nicht, ist auch feige – Knall! Bumm!
    Natürlich, das ist der Dicke, die Herren Kameraden wollen wissen, ob ich ihren ungesprochenen Urteilsspruch vollziehe – Prost die Mahlzeit, erst vollziehe ich einen Dicken. Knall! Das klatscht zu sehr, die Kugel hat sich an einem Stamm breitgeschlagen.
    Meine Herrschaften, hier stehe ich, sehen Sie zu! Ist die Dame Violet auch da? Sehen Sie her, mein Fräulein, diesen Schluck auf ein langes Leben für

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