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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Kammer und Küche. Mahlzeit, Kowalewski, mir knurrt der Magen.«
    Der junge Pagel setzt sich auf sein Rad und fährt nach Haus zum Mittagessen. Er ist zufrieden, daß er die Sache mit der Sophie Kowalewski endlich in Ordnung gebracht hat: so oder so. Er hat sie ein bißchen verbummelt, er hat ein wenig viel um die Ohren gehabt in letzter Zeit. Aber immer, wenn er das Mädchen einmal wieder im Dorf sah, fiel ihm ein, daß es unmöglich war, ein solches Exempel von Faulheit zu dulden. Es war schon schwer genug, die Leute in diesen Zeiten bei der Arbeit zu halten, sie fanden immer, das Geld war kein Entgelt für ihre Arbeit; aber sie bekamen ja nicht nur dies Dreckgeld, in der Hauptsache erhielten sie Naturalien. Es war nicht nötig, daß jemand im Dorf dahinlebte wie eine Lilie auf dem Felde – und unser Herrgott nähret sie doch! Im Gegenteil, ganz im Gegenteil, meine verehrte Sophie, dies sind nicht die Zeiten, sich auf seinen Gott im Himmel zu verlassen! Dies sind die Zeiten, zu arbeiten, daß die Schwarte knackt!
    Wolfgang Pagel kann nicht leugnen, daß er eine richtige Wut auf die Sophie hat. Früher hatte er einmal Sympathien für sie, dunkel erinnert er sich einer gewissen Szene an den Krebsteichen – sie verteidigte mutig die Kleider der Herren gegen den kriegerischen Kniebusch. Aber entweder hatte er sich in seinen Sympathien getäuscht, oder das Mädchen hatte sich geändert.
    Sie hatte so eine verfluchte nachlässige Art, im Dorf herumzuschlendern; sie stellte sich neben die Leute, die arbeiteten, und sah ihnen überlegen zu. Ja, sie hatte einmal die Frechheit gehabt, ihm, als er auf dem Rade vorbeiflitzte, nachzurufen: »Immer fleißig, Herr Pagel?!«
    Was über die Hutschnur ging, sollte man nicht dulden, und wenn sie morgen nicht Kartoffeln buddelte, setzte er Kowalewski übermorgen die schwarze Minna mit allemschreienden, streitenden, Krach machenden Anhang ins Dachgeschoß! –
    Er ist auf dem Hof angekommen, er geht noch einmal rasch durch die Ställe. Der Großspänner spricht ihn an, er behauptet, es ist zu naß zum Roggendrillen, die Schare schmieren. So etwas ist schlimm für Pagel, denn er versteht ja nichts von Ackerbau und Viehzucht, und doch muß er anordnen und entscheiden. Aber im allgemeinen helfen ihm die älteren Leute gerne; wäre er hier als vielerfahrener Inspektor aufgetreten, sie hätten ihm mit Vergnügen Streiche über Streiche gespielt. Aber da er nie so tat, als wenn er etwas wüßte, wo er gar nichts wußte, waren sie hilfreich. Man ahnte gar nicht, was an Erfahrung und Beobachtung in diesen alten Leuten steckte; Pagel hörte ihnen gerne zu, aber über den dicken Lehrbüchern schlief er ein.
    So fragte er dieses Mal auch nur: »Was machen wir dann?«, und der Großspänner meinte, daß auf den leichteren Außenschlägen das Pflügen noch ginge. »Gut«, sagte Pagel. »Also pflügen wir.«
    Und ging zum Mittagessen.
    Das Mittagessen nimmt er auf dem Büro ein – das Büro ist überhaupt Wohn-, Eß-, Arbeits-, Rauch- und Lesezimmer für ihn, und nebenan schläft er noch immer. Aber obwohl Herr von Studmann nicht mehr in Neulohe weilt, nimmt er seine Mahlzeiten nicht allein ein. Er hat eine Tischgefährtin, ein Gegenüber an diesem säuberlich weiß gedeckten Schreibtisch: Amanda Backs.
    Ja, Amanda Backs steht schon wartend da, sie sagt zufrieden: »Gott sei Dank, daß Sie mal pünktlich sind, Herr Pagel. Ziehen Sie sich nur schnell trocken an, ich hole sofort das Essen.«
    »Schön«, meint Pagel und geht in sein Schlafzimmer, um sich umzuziehen und zu waschen.
    Es ist sehr möglich, ja, es ist sogar fast sicher, daß die bekannten Mäuler im Dorf diese Tischgemeinschaft Pagel – Backs auch in eine Bettgemeinschaft umlügen, zumal bei dembekannten Vorleben der Backs. Aber im Grunde hatte sich alles ganz von selbst und höchst natürlich ergeben. Als an jenem ersten Oktober, nach der Verhaftung der Zuchthäusler, die Mädchen aus dem Schloß ohne Kündigung, Gehalt und Zeugnis in alle Welt flüchteten, in einer hühnerhaften Angst vor einem Strafverfahren wegen Begünstigung entflohener Gefangener, gar nicht zu erwähnen das gefürchtete Gespött der Dorfleute – da blieb die öffentlich in einer Abendandacht bescholtene Amanda Backs als einzige unbescholtene Person auf dem Schlosse zurück. Mit dem alten Diener Elias natürlich, aber der fuhr dann auch am zweiten Oktober ab, zu seiner Herrschaft, zur Berichterstattung vermutlich, denn Pachtgeld hatte er nicht zu überbringen.

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