Wolf unter Wölfen
nichts geändert. Er saß und rechnete, er setzte listige Verträge auf und schrieb Geschäftsbriefe mit Widerhaken –: Alles, was er sah, setzte sich ihm in Erwerb, Geld, Verdienst um. Jawohl, es hieß, er liebe seinen Wald – und das tat er auch. Aber er liebte ihn wiederum auf seine eigene Weise, er liebte nicht etwas Lebendiges, Wachsendes, Ewiges – er liebte mit dem Erwerbssinn, er liebte soundso viel Festmeter schlagbares Holz. Eine Fichtendickung war für ihn kein grüngoldenes Geheimnis, siebedeutete ihm, daß man bei der Durchforstung soundso viel hundert Bohnenstangen herausschlagen konnte.
Er tot, sie tot – aber hatte man nicht doch gedacht, sie liebten sich wenigstens in ihrer Tochter, ihrer Enkelin? Da sah man, wie diese Liebe aussah – aus Furcht, in eine schmähliche Geschichte hineingezogen zu werden, fliehen sie ohne Hilfe, ohne Güte, ohne Gnade in die andere Ecke Europas, nebenbei in jenes Frankreich, das, die Ruhr noch immer besetzt haltend, sich weiter feindselig weigert, mit einer deutschen Regierung zu verhandeln.
So sahen sie aus, alte Leute, zur Ruhe gesetzte Leute, wie man so sagt. Aber die Frau ließ die eigene Hohlheit nicht zur Ruhe kommen und den Mann nicht das Geld, das er doch nicht anzuwenden wußte …
Der junge Pagel, der noch immer am Telefon sitzt, tut etwas Merkwürdiges, als er so weit mit seinen Gedanken ist: Er nimmt aus seiner Brieftasche einen Geldschein. Er brennt ein Streichholz an und verbrennt den Schein. Es ist wirklich der junge Pagel, der dies tut, der noch sehr junge Pagel. Es ist eine symbolhafte Handlung: Ach Himmel, laß mich nie das Geld so lieben, daß ich mich nicht von ihm trennen kann!
Und nebenbei ist es eine Entbehrung, die er sich auferlegt. Es ist Sonnabendabend, die Löhnung hat die Gutskasse völlig entleert, es ist sein letzter Schein gewesen, er wollte sich dafür Zigaretten holen. Nun kann er bis Montag nicht rauchen. Jawohl, so jungenhaft ist er auch noch, trotz aller Erlebnisse der letzten Zeit. Aber doch auch wieder so stark! Er pfeift, wenn er daran denkt, daß er nur noch drei oder vier Zigaretten hat.
So pfeifend, trommelt er einen Haufen Frauen zusammen, holt sich den Stellmacher. Noch am Sonnabendabend läßt er das Schloß notdürftig instand setzen, die Fenster werden frisch verglast, die Türen abgeschlossen! »Fertig sind wir mit den Teschows!! Und Sie, Amanda, ziehen also mit Sack und Pack in Herrn von Studmanns Zimmer. Wenn Sie nämlich keine Bedenken haben.«
»Von wegen dem Geschwatze von den Leuten, Herr Pagel?Was ich mir dafür kaufe! Immer reden und reden lassen, das sage ich.«
»Richtig. Und wenn Sie sich nebenbei meines Essens und meiner Wäsche erbarmen wollen – damit sah es in der letzten Zeit etwas kummervoll aus.«
»Die schwarze Minna – – –«
»Die schwarze Minna muß in der Küche der Villa aushelfen, und außerdem ist sie die einzige von allen Weibern, die vor dem Rittmeister keine Angst hat. Der Pfleger muß ja auch mal an die frische Luft, da vertritt sie ihn.«
»So ist’s richtig!« sagte Amanda tief befriedigt. »Dafür paßt sie! Die und vor Männern Angst, Herr Pagel –? Die hat immer viel zuwenig Angst vor den Männern gehabt, und das Gequake, das von zuwenig Angst kommt, das können Sie sich ja alle Tage anhören, wenn Sie am Armenhaus vorbeikommen, Herr Pagel.«
»Sie haben ein ganz schändliches Maulwerk, Amanda«, hatte Pagel halb lachend gesagt. »Der schwerkranke Herr Rittmeister und die schwarze Minna – nein, ich weiß doch nicht, ob es mit uns beiden lange gut gehen wird.«
»Ich lasse Sie reden, und Sie lassen mich reden«, hatte Amanda sehr zufrieden geantwortet. »Das ist doch alles ganz einfach. Warum soll es da nicht gut gehen mit uns, Herr Pagel?«
2
Die Frau, die dicke, verfettete Frau, deren ganzer Lebensinhalt nur noch Essen war, saß schon am Tisch und löffelte aus einer Terrine, als der Leutevogt Kowalewski müde und naßgeregnet heimkam. Kowalewski warf einen Blick in die Suppenschüssel, er runzelte die Stirn, aber bezwang sich. Er schnitt sich einen Kanten Brot ab, strich Schmalz darauf und fing auch an zu essen, aber nicht von der Suppe.
Die kauende Frau warf aus kleinen Augen einen bösen Blick auf ihn, auch sie wollte etwas sagen, aber ihre Gier warzu groß, bei ihr war es die Gefräßigkeit, die sie nicht zum Sprechen kommen ließ.
So saßen die beiden alten Leute schweigend am Tisch, beide essend, er das Brot, sie die Hühnersuppe.
Erst als der
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