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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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schlimmste Hunger der Frau gestillt war, tat sie den Mund auf. Sie schalt: »Schön dumm bist du! Die gute Hühnersuppe! Davon wird es auch nicht anders, daß du keinen Bissen anrührst!« Sie kellte in der Suppe herum, sie fand wirklich noch eine Keule. Über dem Anblick der Keule vergaß sie fast ihren Zorn auf den Mann, sie rühmte: »So ein fettes Huhn, wie das war! Ja, Haases füttern gut. Über fünf Pfund hat es gewogen, und was es für Fett hatte. Schönes, schieres, gelbes Fett, das gibt aus für die Suppe!« Sie schmatzte.
    »Ist die Sophie oben?« fragte der alte Mann mutlos.
    Kauend: »Wo soll sie denn sonst sein? Die schlafen doch noch!« Sie aß langsam weiter, obwohl sie eigentlich nicht mehr essen konnte. Zum Übermaß gesättigt, schwelgte sie schon in der Hoffnung auf neue Mahlzeiten: »Heute nacht sollen wir eine Rehkeule kriegen, Rehkeule mag ich gerne, wenn sie richtig durch ist! Und wenn es erst gefroren hat, will er uns auch ein Fettschwein bringen …!«
    »Ich brauche kein Schwein, ich will das Schwein nicht!« rief der alte Kowalewski verzweifelt, gepeinigt aus. »Wir sind immer ehrlich gewesen – und nun? Diebe und Diebsgenossen! Keinen kann man mehr grade ansehen –!«
    »Reg dich bloß nicht auf!« sagte die Frau gleichgültig. »Du weißt, er läßt sich nichts gefallen von dir. Diebe –! Diebstahl ist es doch erst, wenn man gefaßt wird, aber dafür ist er viel zu schlau! Er ist zehnmal schlauer als du! Hundertmal!«
    »Er muß endlich aus dem Haus …«, murmelte Kowalewski.
    »Ja, das sieht dir ähnlich!« schrie die Fresserin wütend. »Endlich mal einer, der für uns sorgt – und da soll er aus dem Hause! Aber ich sage dir, wenn du Stunk mit ihm anfängst, ich sage dir …« Sie schwenkte den Löffel, sie wußte nicht, mit was sie ihm drohen sollte. Ihre kleinen, im Fett ertrinkenden Augen irrten von dem Mann ab, suchten in derStube umher … »Ich esse dir alles weg, verhungern sollst du!« schrie sie die schlimmste Drohung aus, die sie sich ausdenken konnte.
    Ihr Mann sah sie einen Augenblick trübe an. Wie die Mutter, so die Tochter, dachte er. Eigensüchtig, gierig, gierig –! Er drehte sich um und ging aus der Stube zur Treppe.
    »Wenn du raufgehst zu ihm! Wenn du Stunk mit ihm anfängst!« schrie sie ihm nach.
    Kowalewski stieg schon die Treppe hinauf. Einen Augenblick stand er rasch atmend vor der Tür zum Zimmer der Tochter, fast verlor er wieder den Mut. Dann klopfte er.
    »Wer ist denn da?« fragte nach einer Weile die Stimme Sophies ärgerlich.
    »Ich – Vater«, antwortete er halblaut.
    Es gab ein Tuscheln drinnen, aber dann wurde doch der Schlüssel im Schloß umgedreht. Sophie stand in der Tür. Sie sah böse in ihres Vaters Gesicht, sie schalt: »Was willst du denn?! Du weißt doch, daß Hans seinen Schlaf braucht. Erst macht ihr solchen Krach unten, daß man kein Auge zutun kann, und jetzt kommst du auch noch rauf. Was ist denn los?«
    »Treten Sie näher, Schwiegervater!« rief die freundliche, falsche Stimme drinnen. »Freut mich ungeheuer. Sophie, schwatz nicht, rede nicht, das ist hoher Besuch. Der Herr Schwiegervater! Platzen Sie bitte, alter Herr! Gib ihm doch ’nen Stuhl, Sophie, daß er platzen kann! Entschuldigen Sie bloß, Schwiegervater, daß wir noch im Bette liegen. Hätte ich von dem hohen Besuch gewußt, ich hätte meinen Frack angezogen …«
    Er sah den verängstigten alten Mann grinsend an. »Das heißt, genaugenommen ist es nicht mein Frack. Aber er paßt mir ausgezeichnet, der Frack vom Herrn Rittmeister. Herr von Prackwitz war so freundlich, mir auszuhelfen. Ich war etwas knapp mit Garderobe!«
    Der Leutevogt Kowalewski war so viel und so gründlich verspottet und gescholten worden in seinem Leben, er ließ sich nichts anmerken, wenn es ihm vielleicht auch immerwieder weh tat. Er stand hinter dem Stuhl, er sah nicht nach dem Bett mit Hans Liebschner, er sah auf die Erde, als er leise sagte: »Du, Sophie …«
    »Na, was denn, Vater? Erzähl schon! Sicher wieder so ’ne Meckerei, weil was weggekommen ist! Schreit der Schulze Haase wegen der paar Hühner so laut, daß du nicht mehr schlafen kannst?! Der kann noch was ganz anderes erleben –!«
    »Treibriemen!« grinste Liebschner. »Schöne Treibriemen, ausgezeichnet als Sohlenleder. Lebhafte Nachfrage – guter Preis! – Ist Ihnen was, Schwiegervater? Ich beteilige Sie gerne, zehn Prozent vom Erlös – ich habe was über für meine Verwandtschaft, was, Sophiechen?«
    Wieder ließ der

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