Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
Vom Netzwerk:
immer wieder prallten die Männer im Dunkel gegen Stämme, Rufe wurden laut: »Ich höre sie!« – »Seid doch still!« – »Schrie da nicht eine Frau?«
    Der Wald wurde lichter, noch rascher kamen sie vorwärts, und plötzlich, fünfzig, vierzig Meter vor ihnen, wurde es hell zwischen den Zweigen, ein weißer, strahlender Schein …
    Einen Augenblick standen sie Atem holend, ohne Verständnis …
    »Ein Auto! Er hat ein Auto!« schrie plötzlich einer.
    Sie stürmten vorwärts. Laut klang das Tacken des Motors zwischen den Stämmen. Dann brauste er auf, der Lichtschein schwankte, wurde schwächer, sie liefen im Dunkeln …
    Auf der Schneise standen sie, in der Ferne leuchtete es noch, der Schein wanderte weiter. Ein Gendarm stand, die Pistole in der Hand, er ließ sie wieder sinken: unmöglich, die Reifen noch zu treffen!
    Rasch wurde vereinbart, nach Neulohe zurückzueilen. Es sollte telefoniert werden, mit dem Prackwitzschen Auto wollte man die Spuren des entflohenen Autos verfolgen …
    Alles brach auf, von Studmann rief ungeduldig: »Pagel, kommen Sie noch nicht?«
    Pagel sagte: »Einen Augenblick. – Ich komme dann sofort nach.«
    Der Dicke hielt ihn am Arm. »Hören Sie zu, junger Mann«, flüsterte er. »Ich gehe nicht mit euch, ich gehe zurück nach Ostade. Die da sind voll Optimismus, weil sie den Feind aufgespürt haben und weil es nicht nach Fememord riecht. Verfolgung von Fememördern – das mögen die nicht und müssen es doch. – Aber, junger Mann, Sie sind das einzig vernünftige Gesicht auf dem Hofe – machen Sie sich keine Hoffnung, und machen Sie den andern auch keine Hoffnung. Vor allem der Mutter nicht, bringen Sie es ihr langsam bei …«
    »Was? Was soll ich ihr beibringen?«
    »Wie wir da in die Tannendickung eindrangen, da dachte ich auch: Er hat’s getan. Aber als wir nur die Schuhe fanden …«
    »Wir haben ihn gestört.«
    »Vielleicht! Aber der hat seine Zeit auf die Minute berechnet! Pagel, ich sage Ihnen, so einen Kerl wie den, den können Sie nicht einmal in Ihrem schlimmsten Traum träumen. Es ist ja möglich, daß er es noch tut, aber ich glaube es nicht. Es ist viel schlimmer …«
    Pagel stand still, er fragte nicht.
    »Es gibt solche«, sagte der Dicke. »Meistens, in gesundenZeiten, lassen die andern sie nicht hochkommen, aber in einer kranken, verfaulten Zeit, da wird es geil, solch Gewächs … Glauben Sie doch nicht, Pagel, daß das ein Mensch ist, daß der fühlt und denkt wie ein Mensch. – Das ist ein Scheusal, ein Wolf, der mordet, nicht um zu fressen, sondern um zu morden!«
    »Aber Sie sagen doch: Er wird es nicht tun?«
    »Wissen Sie, was das ist: hörig –? Können Sie sich das überhaupt vorstellen: hörig? Von dem Atemzug, dem Blick solch eines Scheusals abhängig zu sein, nichts tun zu können ohne seinen Wunsch und Willen? Das ist Ihr kleines Fräulein! Und, da er nun fort ist, wird er das Schlimmste tun, was er tun kann: Er wird sie immer beinah ermorden, und dann wird er sie wieder ein bißchen leben lassen. Was er so leben nennt, grade noch, daß der Lebensfunke Todesangst empfinden kann …«
    Sie schwiegen beide, der Wind ging und ging, es war völlig dunkel …
    »Pagel«, sagte der Dicke plötzlich. »Ich gehe jetzt. Wir werden uns kaum wieder begegnen. Aber es hat mich, wie man so sagt, gefreut. – Pagel!« sagte er noch einmal dringlich. »Beten Sie zu Gott, daß diese Mutter ihre Tochter nie wiederfindet – es wäre keine Tochter mehr …«
    Er war lautlos fort. Wolfgang Pagel stand allein im dunkeln, windigen Walde.

VIERZEHNTES KAPITEL
Das Leben geht weiter

1
    Es war Oktober geworden, es wurde immer nässer, immer windiger, stets kälter in Neulohe. Immer mehr Schwierigkeiten hatte Wolfgang Pagel, die notwendigen Leute zum Kartoffelbuddeln zusammenzubringen. Hatten sie im September noch drei Leiterwagen in die Kreisstadt zum Leuteholen senden können, die voll auf den Schlägen angerasselt kamen, so war’s im Oktober schließlich nur noch einer, auf dem verdrießlich ein paar Weiblein, in Säcke und Wolltücher verpackt, saßen.
    Schimpfend und jammernd quälten sie sich durch das triefnasse Kraut über die Schläge, die immer größer zu werden schienen. Zweimal schon hatte Pagel den Lohn erhöhen müssen. Hätte er ihn nicht in natura, hätte er ihn nicht in Kartoffeln gegeben, diesem notwendigen Lebensbedarf, der den Bauch füllt und sogar das liebe Brot ersetzen kann – es wäre keiner mehr gekommen. Aber der Dollar stieg in diesen

Weitere Kostenlose Bücher