Wolf unter Wölfen
Meckerei in Frieden lassen? Ich bin seit sehr langer Zeit zum erstenmal gewissermaßen glücklich …«
»Wenn meinen Gänsen darum weiter die Knochen zerschmissen werden sollen, weil Sie glücklich sind, Herr Pagel«, meint Amanda, »dann ist es besser, Sie laufen unglücklich rum und tun was für die Wirtschaft. Denn dafür sind Sie hier, nicht für Glücklichsein.«
Pagel schaut hoch und sieht Amanda mit vergnügt funkelnden Augen in das zornige Gesicht. »Verstellen Sie sich bloß nicht weiter. Denn daß Sie nicht die Spur wütend sind, das merke ich schon daran, daß Sie mir nichts zum Knabbern auf den Teller gepackt haben, sondern nur Magen und Herz. Was ich ja denn auch tatsächlich am liebsten esse. – Und was das andere angeht, so will ich Sie wirklich nicht länger ärgern, Amanda. Ich habe nämlich eben die Nachricht bekommen, daß ich demnächst Vater werde …«
»So«, sagte Amanda, und ihr Ton klang keineswegs besänftigt. »Das habe ich ja bisher noch gar nicht gewußt, daß der Herr Pagel verheiratet ist.«
Diese weibliche Antwort kam dem jungen Pagel so überraschend, daß er den Löffel nachdrücklich in die Gänsegraupen legte, seinen Stuhl zurückschob und Amanda mit großen Augen anstarrte. »Verheiratet – ich verheiratet?« fragte er erstaunt. »Wie kommen Sie denn auf diese wahnsinnige Idee, Amanda?«
»Weil Sie nämlich demnächst Vater werden, Herr Pagel«,antwortete Amanda boshaft. »Väter sind meistens verheiratet – oder sollten es wenigstens sein.«
»Sie sind eine Gans, Amanda«, sagte Wolfgang vergnügt und machte sich wieder an seine Suppe. »Sie wollen mich bloß aushorchen – aber jetzt esse ich.«
Eine Weile herrschte Stille, beide aßen.
Dann sagte Amanda hartnäckig: »Ich stelle mir das so vor, ob die junge Dame auch so fürchterlich gepfiffen und ob sie auch die Leute veralbert hat, als sie gemerkt hat, daß sie Mutter werden würde.«
»Sie stellen sich das ganz richtig vor, Amanda«, antwortete Pagel. »Die junge Dame war damals sicher nicht sehr vergnügt – obwohl sie sich vielleicht doch auch ein ganz klein bißchen gefreut hat.«
»Dann«, sagte Amanda entschieden, »würde ich auf der Stelle hinfahren und heiraten.«
»Das würde ich auch gerne tun, Amanda«, antwortete der junge Pagel. »Aber leider hat sie streng verboten, daß ich ihr vor die Augen komme.«
»Sie hat verboten, daß Sie –?« schrie Amanda fast. »Und sie erwartet ein Kind von Ihnen?!«
»Richtig!« nickte Pagel ernst. »Sie haben vollständig erfaßt, was ich sagen wollte.«
»Dann –«, sie wurde puterrot.
»Dann –«, sie wagte es nicht zu sagen.
»Dann würde ich …«, sie verstummte. »Was würden Sie, bitte?« fragte Pagel sehr ernst.
Sie sah ihn prüfend an. Sie war wütend auf sich, daß sie sich auf diese neugierige Fragerei eingelassen und nun etwas erfahren hatte, was sie gar nicht wissen wollte, und sie war wütend auf ihn, weil er genauso leichtfertig und dumm wie alle Männer von diesen Dingen redete, und sie hatte ihn doch sehr anders eingeschätzt.
Also sah sie ihn prüfend und ungnädig an.
Aber da waren ja nun seine Augen, seine sehr hellen Augen, in denen es blinkerte, und in den Winkeln, nach denWangen zu, saßen viele kleine Fältchen. Und in demselben Augenblick, da sie diese Fältchen sah, begriff sie, daß er trotz seines ernsten Gesichtes voll von Freude war, daß er sie nur veralberte, sie und ihre dumme Neugierde, und daß er genau so war, wie sie ihn eingeschätzt hatte. Und wie es immer ist, von dem Glück, das einen Menschen ganz erfüllt, weht es hinüber zu den anderen. Glück ist etwas Ansteckendes … Und so empfand auch sie etwas von seinem Glück, sie schluckte einmal rasch.
Aber dann sagte sie ganz als Amanda Backs: »Ich würde mich jetzt mal ein halbes Stündchen hinlegen, wenn Sie nämlich genug in meinem Gänseklein rumgestochert haben. Warm ist es drüben, und die Wolldecke habe ich Ihnen auch aufs Sofa gelegt.«
Pagel sah Amanda einen Augenblick verblüfft an, dann aber sagte er ganz folgsam: »Schön, das will ich heute ausnahmsweise mal tun. Aber in einer halben Stunde wecken.«
Doch in der Tür drehte er sich noch einmal um und sagte: »Ich denke, so zu Weihnachten, das Heiraten nämlich, Amanda. Der Sohn trifft schon drei Wochen früher ein.«
Und damit schloß er nachdrücklich die Tür, als Zeichen, daß er auf eine Antwort keinen Wert mehr legte, ja, daß dies Thema nun überhaupt erledigt war. Und da Amanda nun auch
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