Wolf unter Wölfen
ist«, antwortete Amanda leise. »Ihr Freund …«
Aber Sophie unterbrach sie. »Und da wollen Sie ein Verräter sein?!« rief sie.
Die beiden Mädchen sahen sich an. Sophie flüsterte eilig: »Sie müssen doch wissen, wie einer zumute ist, wenn sie einen gerne hat, und daß man sich einen Dreck darum kümmert, wenn die andern sagen, er ist ein schlechter Kerl. Zu allen ist so einer vielleicht schlecht, aber zu mir ist er gut – und da soll grade ich ihn sitzenlassen!?! Nein, das wollen Sie nicht, und verraten wollen Sie auch nicht!«
Amanda Backs stand schweigend.
»Ich will dafür sorgen, daß er hier nichts mehr anfaßt inNeulohe und daß wir so schnell wie möglich reisen, sobald wir ein bißchen Geld haben – aber Sie verraten uns nicht, wie, Fräulein?«
»Was soll denn die Amanda nicht verraten?« fragte Wolfgang Pagel und stand zwischen den beiden Mädchen, einer roten, ziemlich erregten Amanda und einer Sophie Kowalewski, die sich für diese Visite doch wahrhaftig mit Lippenstift und Puder stadtfein gemacht hatte, so daß bei ihr von Erregung nicht viel zu merken war, obwohl auch sie bestimmt nicht ruhig war.
Sophie antwortete nicht auf seine Frage. Statt dessen sagte Amanda: »Ich will Ihnen schnell Ihren Kaffee machen, Herr Pagel.«
Und sie ging aus dem Büro, ehe er noch antworten konnte.
»Was hat sie denn?« fragte Pagel verblüfft. »Haben Sie sich gezankt?«
»Keine Spur!« antwortete Sophie eilig. »Ich habe sie bloß gebeten, daß sie ein Wort für mich einlegt bei Ihnen, Herr Inspektor. Sie sollten aber nicht merken, daß es von mir ausgeht.« Sie zuckte mit den Achseln, sie sah zur Tür, dann sagte sie eilig: »Herr Inspektor, mein Vater sagt, Sie verlangen, ich soll Kartoffeln buddeln. Aber das muß Vater doch falsch verstanden haben. Sehen Sie bloß meine Hände an, mit solchen Händen kann man doch nicht Kartoffeln buddeln.«
Und sie streckte ihm ihre Hände hin, und diese Hände waren wunderbar manikürt und die Nägel glänzend poliert. Aber daß es freilich trotzdem einmal recht derbe Landmädchenhände gewesen waren, das hatten Maniküre und Politur nicht auslöschen können.
Pagel sah die ihm fast bittend entgegengestreckten Hände recht interessiert an, er gab ihnen sogar einen kleinen wohlwollenden Klaps und meinte: »Sehr hübsch!« Dann aber sagte er: »Also, Sophie, setzen Sie sich einmal dorthin, und nun wollen wir vernünftig miteinander reden.«
Sophie Kowalewski setzte sich gehorsam ihm gegenüber, aber ihre plötzlich abweisende Miene verriet, daß sie nicht gesonnen war, auf vernünftiges Reden einzugehen.
»Sehen Sie, Sophie«, sagte Pagel freundlich. »Als Sie vor ein paar Jahren von Neulohe in die Stadt gingen, da haben diese netten Hände auch ein bißchen anders ausgesehen, nicht wahr? Und sie sind doch so nett geworden! Nun werden sie wieder eine Weile nicht ganz so hübsch aussehen, dafür aber helfen Sie Ihrem Vater ein bißchen verdienen. Was meinen Sie? Wenn Sie wieder nach Berlin gehen, dann werden die Hände schnell genug wieder blank und sauber.«
Sophie Kowalewski zog ihre Hände zurück, als sehe sie dies Gesprächsthema für erledigt an. Sie sagte fast weinerlich: »Aber, Herr Inspektor, ich muß doch meine Mutter pflegen! Sie hat doch soviel Wasser in den Beinen, sie kann gar nicht mehr gehen und stehen.«
»Ja, Sophie, wenn das so ist«, antwortete Pagel betrübt, »dann werde ich den Doktor morgen bei Ihrer Mutter vorbeischicken. Der Doktor wird dann ja sagen, ob Ihre Mutter eine ständige Pflege braucht.«
Er sah aufmerksam in das hübsche Gesicht, das jetzt vom Ärger so entstellt war, und sagte lebhafter: »Ach, Sophie, warum wollen Sie mich denn anschwindeln? Erst sagen Sie, Sie können wegen der Hände nicht arbeiten, und dann ist es wegen der kranken Mutter, und neulich auf dem Felde hat mir Ihr Vater gesagt, Sie wollten wieder in Stellung. Das ist doch alles nicht wahr! Ich will gar nicht vom Kontrakt reden, nach dem ledige, erwachsene Kinder mitarbeiten müssen, aber ist es denn anständig, daß Sie faul herumlaufen, wenn alle schuften? Ist es anständig, daß ein junges, kräftiges Mädchen ihrem alten, verbrauchten Vater noch auf der Tasche liegt –?«
»Ich liege ihm nicht auf der Tasche!« rief sie hastig, und langsamer: »Ich habe mir Geld aus Berlin mitgebracht.«
»Lüge, Sophie!« sagte Pagel. »Wieder geschwindelt. Wir sind doch am selben Tag hier in Neulohe angekommen, wissen Sie das nicht mehr? Damals stand der Dollar
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