Wolf unter Wölfen
auf soundsoviel tausend Mark, und heute steht er auf soundso viel Milliarden Mark – was ist denn da noch von Ihrem Gelde da?«
Sophie machte eine Bewegung zu sprechen.
»Ja, nun erzählen Sie mir noch, daß Sie Ihren Schmuck verkaufen oder daß Sie als Stütze, oder was Sie da in Berlin waren, mit Devisen bezahlt wurden – alles gelogen! Nein, Sophie«, sagte er entschlossen, »es ist ausgemacht: Entweder kommen Sie morgen zur Arbeit, oder ich setze die schwarze Minna mit all ihren Kindern in Ihres Vaters Haus hinein!«
Das Gesicht Sophies veränderte sich. Ungeduld kam hinein, Ärger, dann Zorn. Pagel sah aufmerksam in dies Gesicht, es war ein hübsches Gesicht. Aber ihm stimmte etwas darin nicht, es schien, als sitze die Hübschheit nur hauchdünn obenauf, als könne jeden Augenblick ein anderes darunter hervorkommen – das nicht gut sein konnte und nicht hübsch.
Aber diesmal bezwang sich Sophie noch, ja, sie lächelte ihn sogar an, als sie bettelte: »Ach, Herr Inspektor, lassen Sie mich doch laufen! Was kann ich denn schon für Kartoffeln buddeln?! Tun Sie mir doch die Liebe –!«
Und sie lächelte wieder, von der Seite her, daß er stutzig wurde.
»Wieviel Sie leisten werden, Sophie, das ist eine andere Sache«, sagte er hölzern und kam sich vor wie ein Herr von Studmann. »Vor allem ist es das Beispiel!«
»Aber ich bin viel zu schwach für solche Arbeit«, klagte sie. »Darum bin ich ja in die Stadt gegangen, weil ich zu schwächlich bin für die Landarbeit. Fühlen Sie mal, Herr Pagel, ich habe gar keine Muskeln, bei mir ist alles weich …«
Sie war aufgestanden und war dicht vor ihm, sie streifte ihn. Sie war kleiner als er. Ein Duft ging von ihr aus – sie bewegte den Arm vor ihm, zu zeigen, daß kein Bizeps sich im Oberarm spannte. Und sie sah ihm dabei in die Augen, demütig, schelmisch, bittend.
»Muskeln müssen die haben, die auf dem Felde die Kartoffelsäcke tragen«, erklärte Pagel abweisend. »Sie sollen nur sammeln, Sophie – das können ja sogar die Kinder!«
»Und meine Knie!« klagte sie. »Ich rutsche mir ja am ersten Tag schon meine Knie durch! Sehen Sie, Herr Inspektor, wie weich sie sind!«
Ihr Rock war sehr kurz, aber sie hob ihn noch. Sie streifte am Strumpfband, er sah es weiß leuchten …
Da ging die Tür. »Machen Sie den Rock runter!« befahl er heftig.
Ihr Gesicht hatte sich verändert. Jawohl, nun war unter dem hübschen das andere Gesicht hervorgekommen – und gemein sah es aus!
»Lassen Sie mich zufrieden! Das also wollen Sie! Nein! Nein!« rief sie laut und war schon aus der Tür, an Amanda Backs vorbei.
Mit unbewegtem Gesicht stellte Amanda Backs das Kaffeegeschirr auf den Tisch. »Ihr Kaffee, Herr Pagel!«
»So ein verfluchtes Frauenzimmer!« rief Pagel, noch hastig atmend. »Amanda, ich sollte hier eben verführt werden!« Amanda sah ihn stumm an. »Oder«, fuhr er nachdenklich fort, »es sollte für Sie so aussehen, als verführte ich – das wird die Absicht gewesen sein!« Er stand da, noch immer mit einem ganz überraschten, ungläubigen Lächeln. »Und alles wegen ein bißchen Kartoffelbuddeln, ich verstehe es nicht!«
»Ich würde sie laufenlassen, Herr Pagel«, sagte Amanda kurz.
»Ja, ja, Amanda, ich habe schon gehört, daß Sie ein gutes Wort für Sophie Kowalewski einlegen wollen. Aber warum eigentlich? Soll sie mit ihrer Faulheit durchkommen?«
»Ich lege kein Wort für die ein, Herr Pagel. Ich kümmere mich nicht um die. Und am besten ist es, Sie kümmern sich auch nicht um sie, Herr Pagel.« Sie sah ihn wieder kurz und rasch an. Dann sagte sie: »Ihr Kaffee wird kalt« und ging aus dem Büro.
Pagel sah ihr nach. Manches schien ihm rätselhaft, aber er hatte eigentlich zuviel zu tun, um solche Rätsel zu raten. Lieber setzte er sich hinter seinen Kaffee und las endlich den Brief Herrn von Studmanns!
5
Eine Viertelstunde später ist Wolfgang Pagel auf seinem Rade unterwegs in die Forst. Er muß sich eilen, denn gegen fünf wird es dunkel, und sobald es dämmerig wird, hält den Förster Kniebusch nichts mehr im Walde. Er gibt darüber keine Aufklärung, er läßt sich auch nicht halten, sobald es nur in die Nähe der Abenddämmerung kommt, läßt der Förster Kniebusch seine Leute stehen und geht nach Haus, aus dem Walde heraus.
»Jetzt ist er ganz wunderlich geworden«, sagen die einen.
»Er hat einfach Schiß im dunklen Walde«, sagen die andern.
Kniebusch läßt die Leute reden, er selbst redet kaum etwas. Er hört nicht mehr
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