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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Ohrfeigen der Amanda Backs.
    Aber komisch – an den Förster Kniebusch hatte er damals noch nicht gedacht.
    Da er aber jetzt wieder an ihn dachte, verstand er natürlich, daß Kniebusch der Nachrichtenträger Meiers gewesen war, der willentliche oder, wahrscheinlicher, der unwillentliche.
    Und nun fällt dem jungen Pagel noch etwas anderes ein. Er sieht den verwüsteten Saal im Schloß, wo diese Orgie der Zuchthäusler stattgefunden hatte, er sieht die unter ihrem Rock heulende Mamsell – und nun steht der dicke Kriminalist im Saal und schickt jemanden, um den Förster zu holen. Der Förster aber ist nicht da.
    Ja, sagt sich plötzlich Pagel, wozu schickt denn der Kriminalbeamte jemanden zum Förster, da er doch schon weiß,wo und was im Walde zu finden ist! Nur weil er den Förster sehen will. Weil er den Förster vernehmen will! Weil er auf den Förster einen Verdacht hat! – Und warum ist der Förster mitten in der Nacht nicht zu Haus? Warum macht der zahme, ängstliche Mann einen Putsch mit? Weil die Angst vor dem Putsch geringer ist als die Angst vor der Nachfrage wegen des Waffenlagers, weil er abwesend sein wollte!
    Und nun sieht sich Pagel wieder mitten im Walde stehen. Die andern sind voraufgegangen, der dicke Kriminalist sagt ihm noch ein paar Worte. Dann geht er weiter und geht durchnäßt und hundemüde nach Ostade. Da wird der Förster Kniebusch grade den Frager getroffen haben, vor dem er weglaufen wollte, und was das für ein unbarmherziger Frager sein konnte, das wußte Wolfgang Pagel auch! Das wird eine schlimme Stunde für den Förster Kniebusch gewesen sein, sie hat ihm endgültig den Mund verschlossen. Vielleicht ist er nur um eines Haares Breite davongekommen, aber er ist doch davongekommen! Er ist wieder heimgegangen. Wovor hat er denn jetzt noch Angst? Warum kann er nicht im Dämmern im Walde sein?
    Pagel ist einen großen Schritt weitergekommen mit seinem Nachdenken, aber er ist noch immer nicht zufrieden mit dem Ergebnis dieses Nachdenkens, ein ungelöster Rest bleibt. Er selbst hat ja auch in den ersten Tagen nach der Nacht nicht im dunkel werdenden Wald sein können. Alle seine Nerven fingen an zu zittern, wenn nur die erste Dämmerung sank. Er setzte sich auf sein Rad und fuhr, was die Beine hergaben, ins freie Land. Aber er ist gegen dieses Gefühl, gegen diese panische Angst angegangen, immer wieder hat er sich mit dem Verstand gesagt, daß dies kein anderer Wald ist als vor dem dreißigsten September, daß die Toten nicht umgehen, sondern daß wir nur die Lebendigen zu fürchten haben. Und allmählich hat der Verstand die Angst besiegt.
    Nun kann es ja sehr wohl sein, überlegt sich Pagel, daß der Förster an jenem verhängnisvollen Abend, als ihn die Nachrichtvon der Schnüffelkommission irgendwo im Dorf oder Walde erreichte, von seinem schlechten Gewissen getrieben, sich in den Schwarzen Grund geschlichen hat und dort auch den Leutnant fand. Und daß auch er eine panische Angst von diesem Funde mit nach Hause nahm. Jawohl, so kann es sein!
    Und doch sagt ihm eine Stimme, daß es anders ist, daß der Förster vor etwas viel Greifbarerem, Tatsächlicherem Angst hat als vor einem toten Mann, der nun schon längst irgendwo eingegraben worden ist. Nein, der tote Leutnant ist es nicht, und der dicke Kriminalist ist es auch nicht. Denn der ist wohl der Mann, sofort zuzuschlagen, aber ein Opfer wochen- oder monatelang zu quälen, dazu ist er nicht der Mann.
    Vorläufig ist die Aufgabe, die Pagel sich gestellt hat, unlösbar. Er kann grübeln, soviel er will. Der Gedanke an den kleinen Meier taucht einmal auf, aber den weist er sofort zurück. Den kleinen Meier wird man bestimmt in dieser Gegend nicht wiedersehen. Der kleine Meier wird es nie wagen, sich wieder an den Förster heranzumachen. So schlapp der alte Mann ist, gegen diesen Peiniger würde er sich doch wohl zur Wehr setzen.
    Wenn also das Grübeln und Nachdenken Pagels fast ergebnislos verlaufen ist, so hat es ihn doch in seinem Vorhaben bestärkt, besonders nett gegen den alten Mann zu sein. Er mag ja gewiß kein Muster noch Vorbild sein, aber zu sehr sollte sich ein so alter Mann doch auch nicht quälen müssen, die letzte Erdenzeit, ehe er in die Grube fährt. Man könnte es ja wirklich einmal versuchen, dahinterzukommen, wovor sich der Förster eigentlich ängstigt, vor etwas Faßbarem, das man ihm vielleicht ausreden kann, oder vor etwas Unfaßlichem, das in ihm selber sitzt.
    Nun kommt Pagel an bei dem Jagen, in dem jetzt

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