Wolf unter Wölfen
würden wir Sie schon nicht lassen.«
»Und wer soll meine Arbeit im Walde tun?« ruft der Förster.
»
Kein
Holz kann ich auch anzeichnen, Herr Kniebusch«, meint Pagel freundlich. »Und Ihre paar Holzarbeiter kann ich gut eine Weile auf dem Hofe beschäftigen.«
»Damit wird der Herr Geheimrat nie im Leben einverstanden sein!« ruft wieder der Förster.
»Ach, der Geheimrat!« sagt Pagel wegwerfend, um dem Förster begreiflich zu machen, wie wenig man auf den Geheimrat geben kann. »Der hat jetzt seit einem Monat nichts von sich hören lassen, da muß er es sich auch gefallen lassen, daß wir hier seine Geschäfte so erledigen, wie wir es für richtig halten.«
»Aber er hat von sich hören lassen«, widerspricht der Förster leise. »Er hat mir einen Brief geschrieben.«
»Ach nee!« ruft Pagel verblüfft. »Nun auf einmal! Und was will der Herr Geheime Ökonomierat Horst-Heinz von Teschow? Will er vielleicht sogar zurückkommen und nach seiner Enkelin suchen helfen?«
Aber der Förster Kniebusch reagiert nicht auf diesen Spott. Auch das Fräulein Violet interessiert ihn nicht mehr, sosehr er früher einmal Wert darauf legte, mit ihr auf guten Fuß zu kommen. Er interessiert sich nur noch für sich allein. Darum antwortet er auch nicht auf Pagels Frage, sondern sagt nach einer langen Weile nachdenklich: »Glauben Sie denn wirklich, daß der Arzt mich krank schreiben würde?«
»Natürlich! Sie sind doch krank, Kniebusch!«
»Und Sie würden mir mein Deputat trotz des Krankengeldes weiter geben? Das ist aber verboten, Herr Pagel!«
»Solange ich hier bin, kriegen Sie Ihr Deputat weiter, Herr Kniebusch.«
»Dann gehe ich morgen zum Arzt und lasse mich krank schreiben«, erklärte der Förster, und seine Stimme hatte einen ganz andern Klang.
Pagel wartete geduldig, aber es kam nichts weiter. Der Förster ging schweigend neben ihm her, wahrscheinlich in hoffnungsvollen Gedanken verloren an ein ruhiges Leben ohne Sorgen, Ärger, Angst.
»Und was hat nun der Herr Geheimrat geschrieben?« fragte Pagel schließlich.
Der Förster fuhr hoch aus seinen Träumen. »Wenn ich krank bin, brauche ich auch nicht zu tun, was er mir schreibt«, sagte er abweisend.
»Vielleicht könnte
ich
tun, was er getan haben will«, schlug Pagel friedlich vor.
Der Förster sah Pagel verblüfft an, und dann fing wirklich und wahrhaftig ein dünnes Lächeln über sein Gesicht zu kriechen an. Es sah nicht hübsch aus, eher so, als lächele ein Toter. Aber ein Lächeln sollte es sein. – »Sie wären’s imstande …«, sagte er, noch lächelnd.
»Was imstande –?«
Das Lächeln verging. Der Förster wurde wieder mürrisch. »Ach, Sie erzählen es ja doch nur weiter«, sagte er abweisend.
»Ich halte den Mund, das wissen Sie doch, Herr Kniebusch.«
»Aber der gnädigen Frau würden Sie es sagen!«
»Die gnädige Frau ist augenblicklich nicht in der Stimmung, irgend etwas zu hören. Außerdem verspreche ich Ihnen, auch ihr nichts zu sagen.«
Der Förster dachte eine Weile nach. »Ich will es doch lieber nicht tun«, sagte er dann. »Je weniger man sagt, um so besser ist es, das habe ich nun endlich gelernt.«
»Das haben Sie in Ostade von dem dicken Kriminalbeamten gelernt, nicht wahr?« fragte Pagel.
Und bedauerte sofort, daß er es gesagt hatte. Es war roher gewesen als das, was der grobe Regimenter gespottet hatte. Der alte Mann wurde schneeweiß, er legte seine zitternde Hand auf Pagels Schulter und brachte sein Gesicht nahe an das von Pagel. »Das wissen Sie?« fragte er zitternd. »Woher wissen Sie das? Hat er es Ihnen gesagt?«
Pagel ließ sein Rad fallen und hielt den Förster fest in seinem Arm. »Ich hätte das nicht sagen sollen, Herr Kniebusch«, sagte er betrübt. »Sehen Sie, auch mir läuft der Mund einmal weg. Nein, Sie brauchen keine Angst zu haben: Ich habe nichts gewußt, und keiner hat mir was gesagt. Ich habe es mir nur ausgedacht, weil Sie so verändert waren, seit Sie aus Ostade kamen.«
»Ist das wirklich wahr?« flüsterte der Förster, noch immer krampfhaft zitternd. »Er hat es Ihnen nicht gesagt?«
»Nein«, sagte Pagel, »auf mein Ehrenwort nicht!«
»Aber wenn Sie es sich gedacht haben, kann es sich auch ein anderer denken«, rief Kniebusch verzweifelt. »Alle werden auf mich zeigen, daß ich ein Landesverräter bin, daß ich mich an die Franzosen verkauft habe …«
»Und das haben Sie nicht getan, Kniebusch?« fragte Pagel ernst. »Der kleine Meier …«
»Der kleine Meier hat mich
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