Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
Vom Netzwerk:
egoistisch macht und wenn Glück egoistisch macht, Kummer tut es noch viel mehr! – Ob ich nicht vielleicht doch zu ihr hinausgehe?
    Aber es war schon nicht mehr nötig, sich zu entschließen. Der Chauffeur Oskar mit dem Teiggesicht trat in das Büro und meldete: »Herr Pagel, Sie sollen mal ans Auto zur gnädigen Frau kommen.«
    Pagel stand auf, sah Oskar nachdenklich an und sagte: »Schön!«
    Oskar, dieser Sohn einer ehemaligen Hausdame, durch die Gunst der Frau von Prackwitz hochherrschaftlicher Chauffeur geworden, betrachtete Pagel listig. Dann flüsterte er: »Achtung, Herr Pagel, die will auskneifen! – Aber verraten Sie mich nicht!«
    Und ging.
    Pagel lächelte. Siehe da, Oskar, der gelernte Motorenschlosser, der vor vier Wochen die gnädige Frau noch wie einen seligen Engel angestrahlt hatte – auch ihm schmeckte das süße Kuchenbrot des täglichen Umgangs mit der Herrschaft nicht mehr! Er witterte ähnlich wie die gnädige Frau, nur mit umgekehrten Vorzeichen! Er empfand, daß er hundertmal eher zu diesem ihm fast unbekannten Herrn Pagel gehörte als zu der täglich gesehenen gnädigen Frau.
    Pagel trat an die Wagentür, er sagte: »Guten Abend, gnädige Frau – ich hätte Sie gerne einmal gesprochen …«
    »Seit fünf Minuten hupen wir vor Ihrem Fenster!« rief die unsichtbare Gnädige aus dem Wagendunkel. »Haben Sie denn geschlafen? Gehen Sie schon um acht Uhr abends schlafen?!«
    »Ich habe gestern«, antwortete Pagel ungerührt, »zwanzigmal den Versuch gemacht, Sie zu erreichen, gnädige Frau. Es müssen unbedingt Verfügungen wegen des Försters getroffen werden …«
    »Mein Mann ist schon ganz krank!« rief sie. »Wir sind beide krank von all den schrecklichen Aufregungen! Ichbitte dringend, mir jetzt nicht von diesen Dingen zu sprechen …« Sanfter setzte sie hinzu: »Sie waren doch sonst immer so rücksichtsvoll, Herr Pagel!«
    Unbestochen sagte Pagel: »Ich hätte Sie gerne eine Viertelstunde gesprochen, gnädige Frau.«
    Er sah nicht mehr in das Wageninnere, das doch dunkel war, er sah auf das Wagenende, ungeheuerlich ausgebuchtet: Oskar hatte die Wahrheit gesprochen, diese Kofferungetüme bestätigten die Flucht.
    »Ich habe heute abend unmöglich Zeit! Wir müssen fahren.«
    »Und wann hätten Sie einmal Zeit?« fragte Pagel unerbittlich.
    »Ich kann es Ihnen nicht auf die Stunde sagen«, antwortete Frau Eva ausweichend. »Sie wissen doch, wie unregelmäßig ich komme und gehe! – Ach Gott, Herr Pagel«, rief sie plötzlich. »Wollen Sie mir jetzt auch Schwierigkeiten machen?! Seien Sie doch selbständig! Sie haben doch die Vollmacht!«
    Pagel schwieg. Jawohl hatte er eine Vollmacht. Er hatte die Vollmacht, alles selbständig zu erledigen (ganz nach den Wünschen der gnädigen Frau) und schließlich damit hereinzufallen (ganz nach den Wünschen des Herrn Geheimrats). Aber er schwieg davon, er war jung, zuviel Gemeinheit muß man den Menschen auch nicht zutrauen. Sie würde ihn schließlich nicht sitzenlassen! Oder doch –?
    »Herr Pagel«, sagte Frau von Prackwitz, »Sie haben mir seit einer Woche kein Geld gegeben. Ich brauche Geld.«
    »Es ist kaum etwas in der Kasse«, antwortete Pagel und wußte nun, warum das Auto vor dem Beamtenhaus angehalten hatte.
    »So geben Sie mir einen Scheck!« rief sie ungeduldig. »O Gott, was für Umständlichkeit! Ich muß doch Geld haben …«
    »Wir haben weder auf der Bank noch auf der Sparkasse ein Guthaben«, widersprach Pagel. »Ich kann leider keinen Scheck ausstellen.«
    »Aber ich muß Geld haben! Sie können mich doch nicht ohne Geld sitzenlassen! – Wie denken Sie sich das?!«
    »Ich will sehen, daß ich morgen irgend etwas verkaufe … Ich kann Ihnen morgen dann etwas Geld geben, wenn es nicht viel sein muß, gnädige Frau …«
    »Es muß aber viel sein! Und es muß heute noch sein!« rief sie zornig.
    Pagel schwieg eine Weile. Dann fragte er leicht: »Die Herrschaften verreisen?«
    »Ich verreise nicht! Wer sagt Ihnen solche Sachen –? Lassen Sie mich etwa ausspionieren? Ich verbitte mir das!«
    »Die Koffer …«, erklärte Pagel und wies nach dem Wagenende.
    Ein langes Schweigen entstand.
    Dann sagte Frau Eva mit einer ganz andern Stimme: »Lieber Herr Pagel, wie können Sie mir Geld verschaffen –?«
    »Ich bitte um eine Unterredung von zehn Minuten.«
    »Aber es ist nichts zu besprechen! Wir sind morgen, spätestens übermorgen zurück. – Wissen Sie was, Herr Pagel, geben Sie mir einen vordatierten Scheck – Sie verkaufen

Weitere Kostenlose Bücher