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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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Förster völlig erschlagen und er werde so bald nicht gefunden werden.
    So aber wurden sie ergriffen, überwältigt, gefesselt und der Gendarmerie übergeben – so aber plädierte der Staatsanwalt auf Mord, so aber wurden sie zu lebenslänglichem Zuchthaus verurteilt, denn so konnten sie sich nicht auf einen Totschlag ausreden.
    Die Festnahme aber der noch ahnungslos in der Villa wirtschaftenden Sophie Kowalewski überließ Pagel den andern. Er ging zurück zum Förster. Aber in seinem Zimmer war nur der Arzt – der Förster Kniebusch war schon gegangen.

4
    Es war nicht etwa am Abend dieses Tages, es war erst am Abend des nächsten Tages, daß Wolfgang Pagel in schlichter Deutlichkeit erfuhr, wer die Prackwitzens sind und wer die Pagels und was er so eigentlich für eine Rolle auf diesem Gut Neulohe spielte. Und was das wert war, was er hier getan hatte. Nicht nur seine guten Taten muß sich der Mensch eine Weile überlegen, ehe er sich zu ihnen entschließt, auch für seine Gemeinheiten, große und kleine, braucht er manchmal Zeit. Frau Eva von Prackwitz hatte rund sechsunddreißig Stunden Überlegung gebraucht.
    Es war schon dunkel, als der bekannte große Wagen vor dem Beamtenhaus hielt. Aber natürlich war es dunkel, der Mensch sündigt lieber im Dunkeln als bei Tageslicht. Er scheint zu meinen, wegen einer ungesehenen Sünde braucht er sich nicht zu schämen. Der Wagen hielt – aber weder Frau Eva noch der Rittmeister stiegen aus, keiner stieg aus.
    Man wartete.
    »Hupen Sie doch noch mal, Oskar!« rief Frau von Prackwitz gereizt. »Er muß doch gehört haben, daß wir hier halten! Warum kommt er nicht heraus?«
    Pagel hatte den Wagen kommen, anhalten hören. Er hörte jetzt auch die Autohupe, aber er ging nicht hinaus. Er war traurig und zornig, er hatte von seiner fröhlichen Gelassenheit eingebüßt, wahrhaftig, das Leben schmeckte nicht, es knirschte zwischen den Zähnen wie Staub und Asche. Er hatte gestern und heute zehnmal an der Villentür geklingelt, zwanzigmal die gnädige Frau am Fernsprecher verlangt. Er hatte wissen wollen, wie es mit dem Begräbnis des toten Försters gehalten werden sollte, was zur Versorgung der hilflosen Frau geschehen sollte.
    Aber nein, die gnädige Frau war nicht für ihn zu sprechen gewesen. Vielleicht grollte sie, daß er ihr das Mädchen Sophie so rücksichtslos fortgeholt hatte, daß er nun doch seinen Willen durchgesetzt hatte, daß nun doch wieder dieschwarze Minna in der Villa Arbeit bekommen hatte, dieses schmuddlige Frauenzimmer mit einem Haufen unehelicher Bälger!
    Ach, hole sie alle der Teufel! Wahrscheinlich war Frau Eva gar nicht so schlimm. Früher einmal war sie ihm recht nett vorgekommen. Brauchbar, mit Mutterwitz, mit Verstand, auch mit Freundlichkeit, auch mit Gedanken an andere – solange es ihr gut ging. Aber wahrscheinlich hatte der Reichtum sie verdorben, sie hatte sich nie einen Wunsch versagen müssen – wenn es ihr schlecht ging, dachte sie nur noch an sich. Der ganzen Welt nahm sie es übel, daß es ihr schlecht ging – und sie ließ es sie merken!
    Ja, hupe nur, ich gehe nicht vor meine Tür! Im Grunde paßt du ausgezeichnet zum Rittmeister. Ihr seid beide aus demselben Stoff – vor dem Kriege wandeltet ihr auf der Menschheit Höhen, ihr wart vom Adel, ihr hattet Geld … Es gab da noch das sogenannte Volk, meinethalben, mochte es sehen, wie es zurechtkam!
    Sicherlich, eine verdammte Ähnlichkeit mit dem Rittmeister! Natürlich machte sie es nicht so grob wie er, dafür war sie eben eine Frau. Sie konnte liebenswürdig sein, wenn sie etwas erreichen wollte, fraulicher Reiz, ein vorgestrecktes Bein, Schmelz in der Stimme – Lächeln. Aber am Ende kam es auf dasselbe heraus. Wenn sie ein Auto brauchte, dann kaufte sie es, und der junge Beamte konnte sehen, wie er ein halbes Hundert Familien ohne Lohngeld satt kriegte.
    Nicht wahr, Sie erledigen mir das –? Ich brauche mich damit nicht abzuquälen? Sie sind ja so tüchtig! Aber du würdest es ja gar nicht erledigen können, du willst es gar nicht – du wandelst oben, und für solche Dinge sind deine Leute da. Zwischen Wolfgang Pagel und der schwarzen Minna war noch lange kein so großer Unterschied (für die gnädige Frau) wie zwischen Frau von Prackwitz und Pagel – der Abstand war einfach ungeheuer!
    Ich bin ungerecht, dachte Pagel, und das Auto hupte wieder einmal recht dringlich in seine Gedanken hinein. Ich binungerecht. Sie hat wirklich ihren schweren Kummer – und wenn Reichtum

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