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Wolf unter Wölfen

Wolf unter Wölfen

Titel: Wolf unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Fallada
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morgen und übermorgen, zahlen das Geld bei der Bank ein, und ich lege den Scheck erst Ende der Woche vor.«
    »Übermorgen wollten gnädige Frau spätestens zurück sein. – Ich bin kein Angestellter, bei meinem Eintritt sind keinerlei Abmachungen zwischen mir und Herrn Rittmeister getroffen – es besteht keine Kündigungsfrist. Ich werde also morgen Neulohe auch verlassen.«
    »Achim! Warte hier im Wagen! Oskar, schalten Sie die Scheinwerfer aus. Herr Pagel, helfen Sie mir aus dem Wagen –!«
    Sie ging ihm voran auf das Büro, sie drehte sich um, flammend sah sie ihn an, oh, sie sah prachtvoll aus in ihrem Zorn. »Sie wollen fahnenflüchtig werden, Herr Pagel?! Sie wollen mich im Stich lassen – nach allem, was wir gemeinsam erlebt haben?!«
    »Wir haben nichts gemeinsam erlebt, gnädige Frau«, sagtePagel finster. »Wenn Sie mich gebraucht haben, dann haben Sie mich gerufen. Und wenn Sie mich nicht brauchten, vergaßen Sie mich auf der Stelle. Sie haben nie danach gefragt, ob ich fröhlich oder traurig war.«
    »Ich habe mich so oft über Sie gefreut, Herr Pagel!« rief sie bittend. »In all meinen Sorgen und meinem Kummer habe ich gedacht: Da läuft ein Mensch auf dem Hof herum, auf den kannst du dich unbedingt verlassen. Sauber, anständig …«
    »Ich danke Ihnen, gnädige Frau!« sagte Pagel mit einer leichten Verbeugung. »Aber wenn eine Sophie Kowalewski kam und Ihnen berichtete, der hat schmutzige Weibergeschichten – so trauten Sie dem sauberen, anständigen Kerl diese Geschichten sofort zu.«
    »Herr Pagel, warum sind Sie so böse zu mir? Was habe ich Ihnen getan?! Nun ja, ich bin eine Frau. Ich bin wohl wie die meisten Frauen. Ich höre auf Klatsch, ich habe kein festes Urteil über meine Mitmenschen – aber ich gestehe es auch ein, wenn ich unrecht habe. Nun gut, ich bitte Sie deswegen um Verzeihung, Herr Pagel.«
    »Ich will keine Bitte um Verzeihung, gnädige Frau!« rief Pagel verzweifelt aus. »Erniedrigen Sie sich doch nicht so! Ich will Sie doch nicht auf den Knien vor mir sehen! – Das ist es ja alles nicht. Jetzt, zum erstenmal, seit wir uns kennen, denken Sie auch an mich, an das, was ich fühle, möchten mich in guter Stimmung sehen … Und warum? Weil Sie mich brauchen! Weil ich Ihnen das Geld verschaffen kann, das Sie zu Ihrer Flucht aus Neulohe brauchen …«
    »Und das nennen Sie nicht demütigen?! Das nennen Sie nicht auf die Knie zwingen?!« rief sie. »Jawohl, Herr Pagel, wir fliehen … Neulohe ist uns verhaßt, Neulohe hat uns nur Unglück gebracht … Wenn ich nicht auch untergehen soll wie mein Mann, muß ich auf der Stelle fort! Ich zittere ja jede Sekunde davor: Was wird nun wieder sein? Wenn ich jemand laut rufen höre auf dem Hof, geben meine Knie schon nach. Was ist nun wieder los? denke ich. Ich muß fort! –Und Sie müssen mir das Geld dazu geben, Herr Pagel. Sie können mich doch hier nicht umkommen lassen!«
    »Ich muß auch fort«, sagte er. »Das Leben schmeckt mir nicht mehr. Ich bin auch am Ende. Lassen Sie mich morgen gehen, gnädige Frau. Was soll ich noch hier?«
    Sie hörte nicht auf ihn. Nur ein Gedanke beschäftigte sie. »Ich muß doch Geld haben!« rief sie verzweifelt.
    »Es ist keines in der Kasse. Und ich stelle keine ungedeckten Schecks aus, es ist mir – zu gefährlich. Gnädige Frau, ich kann Ihnen nie in zwei Tagen das Geld für einen längeren Aufenthalt fern von Neulohe besorgen. Das Geld ist knapp geworden, seit die Notenpresse nicht mehr läuft. Es gibt kaum erst die neuen Dinger, die Rentenbankscheine. – Auch wenn ich noch ein paar Tage bliebe, könnte ich Ihren Wunsch nicht erfüllen.«
    »Aber ich
muß
Geld haben!« rief sie wieder mit unerschütterlicher Zähigkeit. »Mein Gott, es hat sich noch immer Geld gefunden, wenn wir wirklich etwas brauchten! Denken Sie nach, Herr Pagel, Sie müssen es irgendwie bewerkstelligen. – Ich kann doch nicht zugrunde gehen, bloß weil ein paar Mark nicht da sind!«
    Viele Menschen gehen zugrunde, weil ein paar Mark fehlen, dachte Pagel, aber er sagte es nicht. Es hatte keinen Zweck, so etwas zu sagen, denn es galt natürlich nicht für sie. – Statt dessen meinte er: »Gnädige Frau, Sie haben einen reichen Bruder in Birnbaum, fahren Sie die halbe Stunde nach Birnbaum – er wird Ihnen bestimmt aushelfen!«
    »Ich soll meinen Bruder um Geld bitten?!« rief sie zornig. »Ich soll mich vor meinem Bruder demütigen?! Nie! Nie!«
    Pagel tat einen raschen, wilden Schritt auf die Frau zu. »Aber vor mir

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